
Jedes Jahr Anfang September reisen die Festivalliebhaber nach Deutzen, um dann im Kulturpark bei der Nocturnal Culture Night drei Tage lang die Seele baumeln zu lassen, das Tanzbein zu schwingen, Freunde zu treffen und viel mehr. Vom 05.-07.09.2025 war es dieses Mal wieder soweit und da durften wir natürlich auch nicht fehlen. Auf fünf Bühnen wurde ein abwechslungsreiches Lineup geboten, woraus sich jeder das raussuchen konnte, wonach ihm oder ihr gerade war.
Der Himmel war grau, gelegentlich fielen ein paar Tropfen – passend zur Stimmung, die sich langsam verdichtete, als die ersten Besucher durch den Waldweg in den Kulturpark Deutzen strömten. Schon beim Einlass trafen wir erste liebe Menschen und schon war gute Laune angesagt. Ein schönes Willkommen, das versprach, dass dies ein schönes Wochenende in guter Gesellschaft werden würde.
Musikalisch ging es für uns zuerst einmal an die Waldbühne. Moderatorin Anne meinte mit einem Grinsen im Gesicht: „Ihr seid da, wir sind da. Lasst euch faszinieren. Wir starten in das perfekte Wochenende.“ Den Auftakt machte Auger aus Großbritannien – ein Duo mit klarer Linie, elektronisch, minimalistisch, aber mit Tiefe. Ihre Beats legten sich wie ein Schleier über die Menge und sorgte für erste Bewegungen. Kyles tiefe und warme Stimme wusste zu begeistern. Er sang mit viel Gefühl und geschlossenen Augen, während Drummer Kieran den Takt angab. Songs wie „Sound of the machine“ oder „My death“ kamen gut an und wurden mit Beifall belohnt. Der Sänger hatte mal eine Gitarre zur Hand, mit der er die Melodien präsentierte, mal war er nur mit dem Mikrofon in der Hand auf der Bühne unterwegs und tanzte mit den Zuschauern um die Wette. Wir hatten die Formation bisher nicht live erlebt – aber das war richtig fein und ein guter Einstieg in den Tag.
Etwas später enterten Blitz Union aus Prag die Waldbühne – mit mehr Drive, mehr Puls, mehr Klangdruck. Eine große Statue mit leuchtenden Augen fiel sofort auf. Vor der Stage füllte es sich schnell und die Menschen begannen, sich zu bewegen. Dieser Gig war ein Versprechen – und Blitz Union machte klar: hier spielt die Musik. Frontmann Marek trug anfangs eine Maske, die er schnell abnahm, und schwenkte eine Fahne. „Revolution“ erklang und schon ging es ab. Drummer Matyáš drosch auf seine Trommeln und aus den Boxen dröhnte es. Der mehrstimmige Gesang passte gut dazu. Hin und her lief der Sänger, während Tomáš und Jan in die Saiten griffen. Die Spielfreude und Energie der Jungs waren fast greifbar. Tracks wie „Get up“, „Hotel India Victoria“ – „a song about a place where no one will ended up“ - oder auch „Human Robot“ – „let me see those crazy moves“ - sorgten dafür, dass hier nur zufriedene Gesichter zu sehen waren im Publikum. Es wurde auch immer wieder im Takt mitgeklatscht. Was wollte die Band mehr?! Das machen wir gern nochmal.
Der Auftritt von The Beauty of Gemina musste leider kurzfristig ausfallen, weil es kurz vor Beginn der Show einen medizinischen Notfall direkt vor der Bühne gab, der einen längeren Notarzteinsatz bedingte. Die Band hat aber zugesagt, ihren Gig in 2026 nachzuholen.
Auf der Parkbühne ging es dann weiter mit Tilly Electronics. Moderatorin Manja meinte noch: „Feiert eure Tillys – unsere Tillys“ und schon brandete Jubel auf. Die schwarz-weißen Outfits des Duos aus Leipzig waren wieder einmal ein absoluter Hingucker. Frontfrau Tilly begrüßte uns mit den Worten: „Wir feiern das Leben mit Glitzer.“ Die Klangflächen wurden weiter und die Rhythmen subtiler. Witzige elektronische Klänge und ihre coole Stimme – eine grandiose Mixtur. Es musste einfach getanzt werden und die simplen Texte wurden von den Fans lautstark mitgegrölt – wie etwa bei „Crack“ oder „Rotwein“. Auf der Leinwand im Hintergrund wurden wilde Muster und Textzeilen eingeblendet – das rundete das Gesamtkunstwerk noch ab. Tilly hatte eine riesige Theatermaske an einem Stab dabei, mit der sie immer wieder am Rand der Bühne entlanglief. Minimal mit viel Humor und Tiefgang – das war genau das Richtige zu diesem Zeitpunkt. Danke!
Manja begrüßte die Zuschauer und meinte schelmisch: „Ich hoffe, ihr seid vorbereitet.“ Es war ein Moment, in dem sich das Publikum spürbar sammelte. Es würde laut und Oldschool werden. Als A Split Second die Amphibühne betrat, kehrte die Wucht zurück. Die Klassiker der Band aus Belgien waren vertraut, mächtig und erinnerten daran, warum wir hier sind – EBM gehört einfach dazu und muss immer wieder in seiner Reinheit zelebriert werden. Die druckvollen Beats, der Gesang von Frontmann Mark – alles in einer Balance, die sich nicht ausruhte, sondern vorantreibend wirkte. Er gab auch immer wieder Beats auf seinem E-Drum zum Besten. In seinem langen Mantel sah er eher aus wie ein Goth-Fürst, aber die Rhythmen sprachen eine andere Sprache. „Willkommen zum NCN – It’s great to see you all here.“ Die Hände waren in der Luft und die Augen fest auf die Bühne gerichtet. Die Videos im Hintergrund zeigten Bilder aus vergangenen Tagen und im Vordergrund feierte die Band ihren alten Hits wie „Colonial Discharge“, „Rigor Mortis“ oder „Muscle Machine“. Die Gitarrenriffs von Djuro, der ein blutiges MakeUp trug, waren dabei ein I-Tüpfelchen auf dem Soundteppich.
Die Parkbühne bot wenig später etwas ganz Besonderes. Laut Manja gibt es ja „covern und covern“. Und Ground Control aus Leipzig sollte nun Stücke „im Sinne des Meisters“ David Bowie präsentieren. Wir konnten bei diesem Gig „Hits feiern“. Die acht Musiker und Sänger*innen begrüßten uns mit einem Countdown und schon waren mit mittendrin in der „Space Oddity“. Der mehrstimmige Gesang von Frontmann Christopher und den beiden Sänger*innen war grandios. Wir konnten uns direkt in die Musik fallen lassen und nicht wenige Zuschauer sangen beseelt mit. Das Gitarrensolo oder das Saxophon waren toll und so ging es immer weiter. Die Musiker hatten gerade so Platz auf der kleinen Stage, aber was da geboten wurde, war dem „Meister“ wahrlich würdig. Hits über Hits wie „China Girl“, „Heroes“ oder „New Killer Star“ holten die Fans richtig ab. Gestik, Mimik und Stimme des Sängers waren toll und machten diesen Auftritt zu einem Highlight des Tages. Dass wir die Songs von Herrn Bowie noch einmal so grandios auf einer Bühne erleben würden, hatten wir nicht für möglich gehalten – aber es war passiert. Wir lauschten dem Auftritt mit einem Lächeln und setzten uns in die Nähe, um es so noch entspannter genießen zu können. Ein wirklich schöner Moment!
Der Abschluss des Abends gehörte Prayers auf der Amphibühne – ein Brückenschlag zwischen Gothic, Street-Attitüde und dunkler Erzählung. Frontmann Rafael war mehr als nur Sänger: Erzähler, Prophet, Dichter. Sein Outfit bestand aus einem Cowboyhut und den passenden Schuhen, einer Sonnenbrille auf der Nase und einer Fransen-Lederjacke. Von Beginn an legte er mit viel Energie los. Mal tanzte er und mal brüllte er die Textzeilen raus. Dabei wurde er links und rechts von zwei mexikanisch anmutenden Muskelprotzen mit freiem Oberkörper eingerahmt, die Äxte in den Händen hielten. „Thanks for being here tonight. We love being here.“ Die Beats schlugen hart, die Texte wirkten roh und sehr persönlich. Inmitten der Dunkelheit der Nacht – und doch ganz nah bei den Menschen – entwickelte sich ein Moment voller Intensität. Im Publikum waren einige Zuschauer zu sehen, die mexikanische Lucha Libre-Masken trugen. Bei Songs wie „Paloma Negra“ oder auch „Young Gods Never Die“ war Stimmung angesagt und vor der Bühne war richtig Bewegung. Der fette Bass ließ aber auch wirklich jedes Tanzbein zucken. „Viva Mexico“-Rufe hallten über das Gelände und schon erklang der nächste Track.
Wir machten uns da aber schon auf den Heimweg – der Tag hatte viel Kraft gekostet – körperlich und emotional.
Autor: Trixi