
Wieder machten wir uns etwas später auf den Weg – wir kamen einfach nicht aus den Federn. Endlich im Kulturpark angekommen, wurden wir wieder freudig empfangen von lieben Menschen und das aktivierte die Lebenskräfte dann endgültig.
Wieder starteten wir an der Waldbühne. Hell Boulevard aus der Schweiz eröffnete mit „fetten Gitarrenriffs“ und kühler Eleganz. Anne versprach: „Hier geht’s jetzt richtig ab“ und sie sollte Recht behalten. Mit der Sonne im Gesicht kamen die Musiker nach vorn und gingen direkt nach vorn mit ihren Rhythmen. Mit Sonnenbrille auf der Nase und tiefer Stimme gab Sänger Matteo sein Bestes, um die Zuschauer vor die Stage zu locken. Die Reihe füllten sich zu „Weirdos“ auch nach und nach immer mehr. Der dreistimmige Gesang war aber auch ein Ohrenschmaus und schnell kam dann Stimmung auf. „Thank you and a great compliment for the local crew“ Weiter ging es mit „She just wanna dance“ und „Zero fucks given“ – dem „main statement“ der Band. Die monumentalen Synthklänge und die Gitarren dazu – das war genau das Richtige zur Mittagsstunde, um wach zu werden. Die Gitarrenkünstler Dee und Von wechselten immer wieder die Seiten – bei den Jungs stand niemand still. Selbst Drummer Avinash war immer in Bewegung. Auf einmal hatte Matteo Hasenohren auf, die aber schnell wieder fielen, weil er zu den eignen Klängen bangen musste, was ihm nicht wenige Fans gleichtaten. Da war echt Pfeffer drin – nicht schlecht.
Die Lesebühne bot hiernach die Autorin Jessica Iser aus Südhessen. Sie erklärte, dass sie am liebsten Dark-Fantasy mit Romance- oder Horror-Elementen schreiben würde. An diesem Tag hatte sie ihr Werk „Zweimondnächte“ mit dabei. Das sei die Vorgeschichte zu ihrem Debütroman über Todbringer, die Todgeweihte zum Tod bringen würden. Die Novelle beinhaltete die Hintergrundgeschichte zu den geheimnisvollen Todbringern. Das Ganze wurde von ihr im Selfpublishing veröffentlicht. Die Zuhörer konnten dann im vorgetragenen Prolog einen ersten Einblick in das Werk bekommen. In einer Zwei-Vollmond-Nacht begegneten wir den Hauptfiguren, die eine Blutuhr bei sich haben. Wenn diese abläuft, stirbt ein Sterblicher in ihrer Nähe. Dabei müssen sie immer den Wünschen des Todes folgen. Einer der ihren hat sich diesem Wunsch einmal widersetzt und eine Frau am Leben gelassen, was nun für Ärger sorgt. Jessicas Art und Weise des Vorlesens war echt gut und die Anwesenden hingen an ihren Lippen. Gut gemacht!
FabrikC stehen für „100% Electronic – tanzbar und laut“. Mit diesem Motto enterten sie die Amphibühne und die Klänge waren wie eine Welle: dunkel-elektronisch, manche Effekte kantig und alle wahrhaft mitreißend. Das Trio um Frontmann Thorsten war wildentschlossen, für eine wild tanzende Meute zu sorgen. Im Hintergrund lief wieder einmal ein Video mit, während die drei Herren im Vordergrund an ihren Keyboards und Soundgeräten standen. Alle drei waren sie im Gesicht schwarz geschminkt und hatten ein Grinsen parat. Der laute Bass war wild und die E-Drums kickten ordentlich rein. Die Zuschauer – also das „sonnenscheue Volk“ - suchten größtenteils die Schatten vor der Stage, doch einige Hardcore-Fans waren in den ersten Reihen gut dabei. Zum Wachwerden war diese Darbietung mehr als richtig – wir wurden regelrecht „weggeblasen“. Einige der Drumsticks flogen mittendrin in die Menge und die Fans freuten sich über dieses Erinnerungsstück. Bei den Tracks war euch ein Song über ein „ernsteres Thema“ dabei – „Widerstand üben. Lebt im Herz ohne Gewalt, wehrt euch auf die bestmögliche Art – Intelligenz.“ Gute Ansage! Dann erklang „Independent Riot Corps“. Wir suchten uns dann einen Schattenplatz und ein kühles Getränk.
Wenig später ging es auf der Waldbühne schon wieder zur Sache. The Mao Tse Tung Experience brachte einen „markant minimalistisch, elektronisch“ Sound auf die Bühne. Das Duo, bestehend aus Thomas und Wilfried, bot Klangfragmente, Sprechpassagen und Mittanzgarantie. Die Fans freuten sich, diese Formation mal wieder live erleben zu können – lang war es her. Immer wieder in Nebel gehüllt gaben die beiden ihr Bestes, um hier abzuliefern. Die Interaktion mit dem Publikum fehlte allerdings etwas. Thomas lief nur hin und her und sang in die Sonne, die ihm ins Gesicht schien – wie etwa zu „Kill the artist“. Alle Anwesenden warteten eigentlich nur auf einen großen Hit, der dann später im Set auch endlich erklang. Bei „Irregular Times“ endlich angespielt wurde, jubelten die Zuschauer und es wurde mehr als ausgelassen getanzt. Na, es geht doch!
Dann führte uns unser Weg wieder einmal an die Lesebühne, wo Torsten Low, zusammen mit Oliver und Carolin Gmyrek, eine Kurzgeschichte aus dem Buch „Die geheimnisvolle Bibliothek“ vortrug. Dabei wurden die einzelnen Charaktere der Geschichte in verteilten Rollen und mit unterschiedlichen Stimmen oder Akzenten vorgetragen, was wirklich toll war. Das kann nicht jeder Autor – aber hier war es echt brillant. Wir kamen so noch schneller rein, denn den Anfang hatten wir leider verpasst. Hier ging es um eine Art Schatzsuche – so nahmen die Protagonisten zumindest an. Dabei führte sie ihr Weg nach Oxford in eine der Universitätsbibliotheken, wo sie dann tatsächlich einen versteckten Geheimgang entdeckten. Das Ganze war echt spannend – würden sie denn ihren Schatz noch entdecken und was ist der Schatz eigentlich genau? Das blieb leider offen, denn schon lockte wieder der nächste Auftritt auf einer der vier anderen Stages.
Dann erwachte mit Heldmaschine wieder die Kraft wieder auf der Amphibühne – „schnallt euch an“. Die Band aus Koblenz präsentierte knallige Songs, harte Riffs und klare Stimmen. Die Leute bewegten sich richtig mit und feierten eine wilde Party. Frontmann René und seine Kollegen an den Gitarren – Tobias und Eugen – kamen allesamt auf einem besonderen Gefährt hereingefahren. Diese kleine Plattform, die von René per Pedale gesteuert wurde, war mal was ganz anderes und uns gefiel dieser Auftritt echt gut. Dabei trugen alle Herren eine leuchtende Brille. Bassist Marco saß neben Drummer Dirk auf einem kleinen Hocker – mit einem verletzten Fuß konnte er leider nicht so herumspringen wie seine Kollegen. Mit „Eiszeit“ ging es in die Vollen. Der mehrstimmige Gesang kam hier gut bei den Fans an. Nebelschwaden waberten über die Stage und später flog zu „Luxus“ Geldscheine in die Menge, die der Frontmann spendabel einfach so verteilte. Es wurde mitgesungen und mitgeklatscht, was die Band echt freute. Immer mehr heizte die Formation ein, so dass die Stimmung langsam aber sicher an ihren Höhepunkt kam. Als „Karl Denke“ besungen wurde, mussten wir aber aus der Sonne raus und holten uns ein leckeres Eis.
Danach ging es schon wieder an die Waldbühne. Hier setzte Grendel auf elektronische Härte, denn es gab „Aggrotech as its best“ auf die Ohren. Das niederländische Duo hatte es sich zur Aufgabe gemacht, einen Hexenkessel zu fabrizieren. Vor der Stage war es richtig voll. Die Beats gruben sich tiefer in unsere Gehörgänge und die Synthies fuhren ins Tanzbein. Der Boden vibrierte schier. Das Ganze war eine gute Wahl, gerade am Sonntag – um noch einmal aufzuladen, bevor das Finale kam. Frontmann Jos lief hin und her und brüllte die Texte raus. Dabei hielt er immer wieder seine behandschuhte Hand zur Faust geballt nach oben. Mit Sprüchen zwischen den Songs heizte er immer mehr ein. Sein Kollege stand währenddessen mal am Keyboard und mal hatte er eines umhängen und haute in die Tasten. Die Arme bei den Zuschauern waren oben und es wurde im Takt mitgeklatscht. „It’s nice to be here.“ Das fanden die Fans auch und hatten mächtig viel Freude an Tracks wie „Timewave:Zero“ oder „Dead inside“. Es hätte nicht besser sein können – laut und „eine Stufe härter“.
„Der Schnitter ist wieder erwacht“, so die einleitenden Worte zum nächsten Gig. Mit Reaper kam eine düstere Eleganz auf die Amphibühne. Das Industrial-Projekt von Vasi Vallis tritt nicht oft live auf und so freute sich die Menge, an diesem Tag einmal die Möglichkeit zu haben, die Hits live zu erleben. „Da sind wir wieder.“ Der Klang war dichter und wieder einmal richtig laut. Vasi selbst war schwarz-weiß im Gesicht angemalt, sein Kollege an der Technik hatte Rot und Schwarz gewählt. Der Gitarrist war gut drauf und lief immer wieder auf und ab. Gemeinsam präsentierten sie einen guten Mix aus ihrer Bandgeschichte. Dabei waren unter anderem „The Devil is Female“, „Das Grauen“ oder auch „Twisted Trophy Hunter“. „Dankeschön, dass ihr so spät am Sonntag noch alle da seid.“ Na aber gern doch. Alle drei waren kaum zu bändigen und standen nicht eine Sekunde still. Das Publikum tat es ihnen gleich – zu den Beats wurde getanzt oder gesprungen. Die Klänge kamen so gut an und es wurde viel applaudiert, so dass der Frontmann und sein Kollege an der Gitarre gar nicht aufhören konnten zu grinsen. Verdient ist eben verdient!
Dann betrat wenig später She Past Away die Parkbühne. Vor der Bühne war es wieder einmal richtig voll, denn nicht wenige Zuschauer wollten das türkische Duo miterleben. Und dann wurde es minimalistisch und dunkel. Die tiefe Stimme von Volkan schnitt durch, der Rhythmus war hypnotisch. Wir sahen Menschen, die sich still zu den Klängen bewegten – mit geschlossenen Augen. So geht das nämlich! Musik muss auch mal einfach nur genossen werden. Mit dem Smashhit „Durdu Dünya“ legten die beiden los und weiter ging es dann mit „Katarsis“ oder auch „Ritüel“. „I hope you had a good festival“, so die Frage des Sängers, die mit lautem Beifall beantwortet wurde. Die beiden standen eher still an ihrem Platz und zeigten ihr Können an den Instrumenten und mit dem zweistimmigen Gesang. Die Zuschauer feierten das Ganze aber richtig ab und applaudierten reichlich. Was diesem Gig dann aber noch ein I-Tüpfelchen aufsetzte, war die Sonne. Diese ging gerade langsam unter und von rechts fielen letzte Strahlen durch die Bäume auf die Musiker – das sah so toll aus und passte zur Stimmung der Musik.
Ein letztes Mal lockte dann die Lesebühne. Christian von Aster kehrte an diesem Abend zurück, um „Grufties zu verhöhnen“. Er war schon richtig fertig von drei Tagen Festival und meinte: „Ich simuliere nun glaubhaft Wachheit.“ Im Gepäck hatte er die Gruftie-Weihnachtsgeschichte „5 Minuten mit dem Weihnachtsmann“, in der ein Security-Mann davon erzählt, was ein Weihnachtsmann im Spaßkaufcenter so alles mit Kids erlebt – vor allem mit einem Kind von Grufties. Der sehr wortgewandte und brutal altkluge Oswald hat den armen Weihnachtsmann dann auch nachhaltig verstört und überfordert. Was haben wir gelacht. Es folgte die diesjährige Gruftie-Glosse „Coffin-Candy“ und seine Zeit als „männlicher Entkleidungskünstler“ und „Grablicht Gigolo“. Und als dann auch noch ein Text über Lukas, die launische Liebesbriefbrieftaube folgte, war klar – eloquent formulierter Humor war hier das Leitthema. Wir hatten mächtig viel Spaß – wie eigentlich jedes Mal bei Herrn von Aster. Danke für deine Worte! Immer wieder gern.
Dann war es Zeit für den letzten Gig auf der Waldbühne – Tanzwut standen auf dem Plan. Die Band bietet mittelalterliche Instrumente, treibende Rhythmen und theatralische Bühnenpräsenz. Die Menge spürte: gleich ist Schluss – also noch einmal ganz in den Moment gehen. Frontmann Teufel forderte dazu auf „Lasst uns durchdrehen“ und genau das machte das Publikum dann auch. Ein riesiger Schiffsbug war Bestandteil des Bühnenaufbaus, was cool aussah. Die Musiker waren alle hoch motiviert und verausgabten sich so richtig. „Selten so ein nüchternes Publikum gesehen“, der Frontmann forderte dazu aus, sich noch einmal gehen zu lassen. Die Gitarristen Zwilling und René gaben alles – auch mal an den Sackpfeifen oder der Davul. In der Setlist fanden sich Hits wie „Neues Spiel, neues Glück“ oder auch „Achtung Mensch“. Rauchfontänen schossen gen Himmel und die Lichtshow war auch nicht zu verachten. Die ausdrucksstarke Mimik des Sängers und seine markante Stimme machten ihn zum Mittelpunkt des bunten Bühnengeschehens. Und die Fans hatten ihren Spaß mit den Mittelalterrockern.
Der absolute Headliner und letzte musikalische Gast auf den diesjährigen NCN waren Camouflage, die die Amphibühne entern sollten.
Doch zuvor traten Veranstalter Holger und die zwei Moderatorinnen noch einmal nach vorn. „Es ist schön, in eure Gesichter zu schauen.“ Holger verlas eine kleine Ansprache zu dem medizinischen Vorfall am Freitag, der in einem Todesfall endete. Gemeinsam mit den beiden Damen erklärten sie ihr Vorgehen, das Festival trotzdem weiter laufen zu lassen. Der Verstorbene war ein Freund des gesamten Teams und ihm fiel es schwer, den Text ohne Tränen vorzutragen. „Musik ist der Schlüssel. Musik ist das Elixier. Musik ist auch Liebe.“ Er dankte allen Helfern vom Freitag und überließ dann die Stage für die letzte Formation. Manja erzählte noch kurz, was sie mit Camouflage verband und dann machten sie den Weg frei.
Endlich - der Headliner des Abends und des Festivals - der Abschluss. Ihre Musik „hat die Zeit überdauert“ und nun kamen Marcus und seine Mitmusiker nach vorn. Sie hatten ein musikalisches Paket zusammengestellt, das aus Klassikern und neuen Songs bestand – alles gemischt in einem fließenden Set. „That Smiling Face“ und „Me and you“ machten den Anfang. Licht und Sound bildeten eine Einheit. Vor der Bühne war eine riesige Menge von Menschen, die singend, tanzend und jubelnd mitging. Die Stimme des Sängers war wie eine warme Wolldecke, die sich um uns legte und uns einhüllte – wir waren augenblicklich alle wieder jung und erlebten unsere musikalischen Helden hier live. Toll! Heiko, Jochen und Stefan standen hinter Marcus auf einem Podest vor einigen LED-Lichtleisten und gaben den Sound zum Besten. Der mehrstimmige Gesang war ein Trommelfellschmeichler – einen besseren Abschluss hätte es einfach nicht geben können. Das war sooo gut! Und als „Suspicious love“ erklang, waren wir mehr als glücklich. Lieblingssongs, die live dargeboten werden sind immer noch das Genialste! Der Sternenhimmel über uns und vor uns diese Band – das war einfach nur top!
Wir lauschten noch ein wenig und dann waren unsere Kraftreserven auch aufgebraucht. Die Nocturnal Culture Night 2025 war wieder einmal mehr als nur ein Festival. Es war ein Raum aus Musik und Gemeinschaft, wir konnten die Welt ein bisschen ausschalten. Ein Festival, das sich nicht in Acts erschöpfte, sondern in Momenten – und diese Momente bleiben. Und nächstes Jahr sehen wir uns wieder.
Autor: Trixi