Nachgelesen - "Basement Tales Vol. 6 - Mrs. Miller Disappeared"

In regelmäßig unregelmäßigen Abständen veröffentlicht der Verlag The Dandy Is Dead ein kleines, aber feines Heftchen, das den Titel „Basement Tales“ trägt. Mit „Mrs. Miller Disappeared“ erschien im Dezember 2019 bereits der 6. Teil dieser Reihe, die abgedrehte, gruselige, abstruse, vollkommen verrückte und einfach komplett andere Stories von zahlreichen Autoren im Gepäck hat. Dieses Mal taucht in jeder Geschichte eine Frau Müller/Miller auf, und mir persönlich machte es Freude, regelrecht nach ihr zu suchen – als kurze Erwähnung oder direkt als Titelheldin. Habt ihr sie denn auch jedes Mal in einer der sechs Erzählungen entdecken können – los versucht es doch mal?


Als erstes startet Bernhard Stäber mit „Stockwerk 12 A“. Der Titelheld Eric Isaacs hat sich in arge Schwierigkeiten mit dem Drogenboss Murat Copja gebracht und dafür soll er nun büßen. Die Handlanger den Kartellchefs sammeln Eric auf dem Weg zum Chinesen um die Ecke ein und bringen ihn in das Hauptquartier, das auf den Namen Schraubenschlüssel hört. In diesem Hochhaus kommt es erst zu einer Art „Aussprache“, die darin endet, dass Eric „verschwinden“ soll. Also bringen die Handlanger ihn weg. Auf dem Weg zu seinem Ende bleibt allerdings der Fahrstuhl mit ihnen allen stecken – in der 13. Etage – oder genauer 12 A, denn seit ein paar Personen in diesem Stockwerk tatsächlich verschwunden sind, wurde die 13 eben zu 12 A. Dem Denunzianten gelingt dann glücklicherweise die Flucht, doch irgendetwas ist auf einmal anders. Niemand erkennt ihn mehr – ist er denn nun wahrhaft verschwunden? Schlussendlich muss er eine Entscheidung treffen – verschwunden bleiben oder sterben. Ich verrate euch aber nicht, wie es ausgeht… Die Idee der Kurzgeschichte ist zwar nicht neu gewesen, aber Bernhards Version ist absolut lesenswert.


Der zweite im Bunde ist dann Christian Endres, der „Für Wald und Königreich“ in petto hat. Er nimmt euch mit in eine ganz andere Märchenwelt mit Fabelwesen und Königen und vor allem Prinzessinnen. Eine von ihnen sollte die neue Schwiegertochter von König Asmariod werden. Auswählt wurde die Glückliche dadurch, dass ein Einhorn sein Horn in den absolut unschuldigen Schoss des Mädchens legen sollte. Um diese Auswahlzeremonie durchführen zu können, waren die Schergen Ravius und Nistroc ausgesandt worden, das letzte Tier seiner Art einzufangen. Im Laufe der Geschichte erfahren wird, dass die Auswahl wohl aber nicht erfolgreich sein kann, denn eine „unschuldige“ Prinzessin gibt es wohl nicht mehr. Wie also dann die Geschicke für das Königreich erfolgreich lenken? Die beiden Knechte haben da schon eine Idee, aber wird sie auch von Erfolg gekrönt sein? Ich möchte euch die Spannung nicht verderben, deshalb nur so viel – das letzte Einhorn verschwindet nicht von der Erdoberfläche, zumindest nicht so richtig. So können Märchen eben auch mal sein – finde ich gut!


Die nächste Story von Lee Hollis gab dem Heftchen den Namen, denn sie heißt „Mrs. Miller has disappeared“. Und nicht nur der Titel ist in englischer Sprache, nein, der gesamte Text. Hier berichtet ein Mann davon, dass in seiner Gegend eine Mrs. Miller verschwunden ist – nicht vermisst, nicht tot – lediglich verschwunden. Er und sein Dobermann Limos haben aber etwas damit zu tun. Das glaubt ihr nicht? Lest es doch einfach selbst nach. Ich fand es ja spannend zu erfahren, wie ein Psychopath so denkt und wie er als seine geliebten Waffen einsetzt. Arme Mrs. Miller!


Bei Michael Hess geht es dann ab ins „Eis“. Begleitet hier Friedrich Emanuel Florys dabei, wie er kurz vor der Abreise auf die Kanaren steht – gemeinsam mit Frau und Sohn. Doch vorher musste der Erbe einer reichen Sippschaft sich noch einmal im Stammsitz seiner Familie einfinden – dort, wo er als Kind einst gelebt hatte, bis er ins Internat kam. Er mochte das große Haus wirklich nicht und hatte es deshalb vor einigen Tagen verkauft. In den leeren Räumen des Herrenhauses überwältigen ihn dann aber Erinnerungen – schlimme und bedrückende Bilder, die er nur allzu gern aus seinem Gedächtnis streichen möchte. Vor allem die alte Eiche hinter dem Gebäude lässt ihn erschaudern und all die Gedanken, die auf ihn einprasseln, lassen ihn frösteln. Hatte sich dort doch einst seine Mutter erhängt. Was hatte aber ein kleiner, weißer Stoffhase damit zu tun? Das war schon ein wenig creepy. Friedrich wird es herausfinden, auch wenn er es besser nicht getan hätte. Und wie seine Frau, geborene Müller, davon profitiert, das erfahrt ihr auf Seite 36. Ich war hin und hergerissen zwischen Schock und Mitfreude für die Frau.


Mit Tom Daut geht es dann auf, „Wolfgang“ näher kennenzulernen. Zuerst aber trifft der Leser auf Dirk und seine 15-jährige Tochter Laura, die, ganz Teenie, nicht mehr so wirklich auf ihren Vater hören mag und lieber ihr eigenes Ding macht. Das gefällt Papa so gar nicht, aber er konnte sie ja auch nicht zwingen, das zu tun, was er ihr sagte. Dann taucht aber auch Wolfgang auf, der sich selbst nur Wolf nennt – ein Wolf, der auf der Jagd ist. Und er spielt gern mit den Jägern – er war ihnen immer einen Schritt voraus und das belustigte ihn wahrlich. Und was jagte der Wolf am liebsten – kleine Mädchen und ältere Frauen. Erst lauert er ihnen auf und dann überfällt und überwältigt er sie, um sich schließlich an ihrem süßen Fleisch zu laben. Im Laufe der Geschichte kommen sich Dirk und Wolf immer näher – um schließlich… ach, es ist zu irre. Das müsst ihr schon nachlesen! Für mich persönlich war es zwar ein wenig zu vorhersehbar, nichtsdestotrotz eine gute Geschichte.


Die letzte Erzählung kommt in dieser Ausgabe aus der Feder von Christian von Aster und heißt „Wahnsinn“. „Alles begann mit Mrs. Millers Verschwinden. Oder besser damit, wie man sie fand.“ So die ersten Zeilen. Mrs. Miller war tot und tauchte zerstückelt wieder auf – in Päckchen, die an die Polizei geschickt wurden. Sie war aber nicht die einzige Leiche in dieser Story. Auch die Eshermans, ein Finanzberater und noch mehr waren aller innerhalb einer Nacht einen absolut verrückten und ungewöhnlichen Tod gestorben. Lieutenant Thomas O’Mory ermittelt in all diesen Fällen und versucht einen Zusammenhang herauszufinden. Was hat es mit diesem Opferdolch und all den Symbolen von Tentakeln und Flammen auf sich? Irgendwann entdeckt er einen Hinweis auf Restaurant Old R’Lyhe – das musste die Lösung sein. Doch was er da finden sollte, war so jenseits aller Vorstellungskraft – es bringt einen faktisch um den Verstand. Gebt euch dem Wahnsinn hin… Freunde von Lovecraft werden hier auf ihre Kosten kommen.


Wie immer waren die Stories sehr verschieden und doch hatten alle dieses Körnchen Irrsinn und mystische Atmosphäre, so dass ich beim Lesen immer Spaß hatte und jedes Mal gespannt war, wohin der Pfad der Verrücktheit wohl führen möge. Vier Poster gibt es als besonderes i-Tüpfelchen auch wieder mit obendrauf. Gestaltet haben diese MindyTheGap, SEC7, MM, M und Germaine Paulus. Das Coverartwork hat wie auch schon bei den bisherigen Ausgaben Stefan Hübsch zu verantworten. Auch Teil 6 der Basement Tales hält was er verspricht –


„Stories for dark moments, light moments, wild moments, strange moments and all that shit that may happen if you go downstairs.”


Autor: Trixi

Veröffentlichungsdatum: 10.12.2019

Verlag: The Dandy Is Dead

Format: A5 Broschüre / 64 Seiten

ISBN: ‎978-3947652112


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