Konzertbericht - Heilung - 06.11.2022 Händel-Halle Halle/Saale

Am 06.11.2022 hatten wir die Möglichkeit, beim Heilung-Auftritt in Halle/Saale dabei zu sein. Das Konzert war eigentlich für Leipzig geplant, wurde aber aus produktionstechnischen Gründen in die Händel-Halle der Saalestadt verlegt. Außerdem zählte dieser Gig zu einer der pandemiebedingten Verschiebungen aus dem Jahr 2021. Verständlicherweise waren die Besucher nun aufgeregt und freuten sich, dass das Konzert endlich stattfinden konnte, zumal durch die Verlegung nach Halle auch noch ein Ticketkontingent freigegeben wurde - entsprechend voll war es in der Veranstaltungsstätte.


Doch vor den Hauptact haben die Veranstalter wie üblich eine Supportband gelegt. In diesem Fall war das die Künstlerin Lili Refrain, die mit ihren Instrumenten und ihrer Loopmaschine ganz allein auf der großen Bühne stand, nur von einem Spot beleuchtet. Optisch passte die Musikerin schon einmal zu Heilung, denn auch sie trug ein kuttenartiges Gewand und war mit einem schwarzen Streifen über den Augen und im Gesicht geschminkt. Musikalisch ging es ebenfalls in die Richtung Ritual und Ambient, gemixt mit Lilis glasklarer Stimme. Die Musikerin spielte jeden Teil ihrer Tracks live selbst auf der E-Gitarre und den Percussions ein, ließ die Spuren über die Loopmaschine laufen und erschuf so beeindruckende Klangteppiche. Dabei war sie so in sich und ihrer Musik versunken, dass die Kommunikation mit dem staunenden und applaudierenden Publikum fast ein wenig zu kurz kam. Auch uns hat das Ganze recht gut gefallen, obgleich es über die Zeit ein wenig eintönig wurde. Nach gut 25 Minuten verabschiedete sich die Italienerin lächelnd und winkend von der Menge und verließ die Bühne, die nun in Windeseile für das Ritual von Heilung vorbereitet und umgebaut wurde.


Wer einen Auftritt von Heilung noch nie gesehen hat, wird vielleicht verwundert sein, dass so ein Konzert mit einer Zeremonie beginnt. Die komplette Band steht im Kreis auf der Bühne und spricht ein Mantra. Erst danach nehmen die Akteure ihre Plätze ein und die Musik setzt ein. Für mich war es das dritte Mal bei Heilung und mit dem ersten Trommelschlag hatte ich Gänsehaut. Kai-Uwe Faust und Maria Franz erzählen mit ihren Stimmen und den Liedern Geschichten, lassen alte Gottheiten auferstehen und zelebrieren quasi ein Ritual. Die unterlegte Musik kommt von Christopher Juul, der das Genre von Heilung als "amplified history" bezeichnet. Und das ist es zu Recht! Altnordische Texte verschmelzen mit schamanischen Gesängen, wilden Tänzen, rhythmischen Trommeln und den Stimmen der beiden Frontleute sowie den Begleitsängerinnen Annicke Shireen, Emilie Lorentzen und Mira Ceti. Die Abfolge der Titel war eine Mischung aus allen bisher erschienenen Alben der multikulturellen Formation. So kamen etwa bei "Krigsgaldr" die Krieger und Kriegerinnen mit Schild und Speer auf die Bühne, ließen sich in den stampfenden Trommelrhythmus fallen, als ob sie sich für eine Schlacht vorbereiten und zogen das Publikum in ihren Bann. Sie wurden von Kai-Uwe Faust als Schamane begleitet, sie heulten wie die Wölfe, sie tanzten sich in Extase, während die Trommeln das komplette Gebäude erbeben ließen. Auf dieser Bühne passierten oft so viele Dinge gleichzeitig, dass es für jemanden, der dies zum ersten Mal sah, schwierig war, alles zu erfassen. Und doch wurde das Publikum mitgerissen, oft war außer der Musik nur atemloses Schweigen zu hören, bevor am Ende der jeweiligen Lieder Applaus aufbrandete und begeisterte Pfiffe über der Menge erklangen.

Besonders beeindruckte mich, einmal mehr, der Track "Traust", bei dem die komplette Crew auf der Bühne stand. Eine der Kriegerinnen wurde von Kai-Uwe Faust an ihren Speer gefesselt, während Maria und die anderen drei Sängerinnen die Geschichte der Frau erzählten, die den Tod erleiden soll und von Maria "gerettet" wird. Das zweite Stück, welches mir in eindrücklicher Erinnerung blieb, war das neue Stück "Anoana" vom aktuellen Album "Drif", bei dem Maria wie eine Königin auf einem rot beleuchteten Thron saß und ein ganz besonderes Instrument spielte.

Den fulminanten Abschluss des Rituals bildete der Titel "Hamrer Hippyer", bei dem zunächst alle Beteiligten einen wilden Tanz auf der Bühne begannen und sich immer mehr in die Musik hineinsteigerten, bevor ein Teil der Krieger sich ins Publikum warf - in diesem Fall AUF das Publikum, denn der Innenraum der Händelhalle war gepackt voll und es gab kaum Platz zwischen den Menschen. Also ließen sich die Krieger von den Händen der Besucher tragen. Einer der Trommler stellte sich an den rechten Bühnenrand und spielte scheinbar nur für einen Zuschauer. Auf der Empore, von wo aus auch wir das Konzert verfolgt hatten, saß ein Mann in seinem Rollstuhl und war völlig in der Musik und den Rhythmen gefangen. Er tanzte im Sitzen, er reckte seine Hände in die Luft und so feuerten sich Trommler und Gast gegenseitig an. Ein sehr schöner Moment! Währenddessen wirbelten Sänger und Sängerinnen, Musiker sowie Krieger und Kriegerinnen wie Derwische über die Bühne und verausgabten sich fast vollständig, bis die Musik langsam verklang und das Konzert sein Ende fand. Die Akteure fassten sich an den Händen, verbeugten sich, badeten im nicht enden wollenden Applaus und verließen dann die Bühne.


Heilung hinterließen ein zutiefst beeindrucktes Publikum, welches sich im Strudel des Rituals mitziehen ließ und nun glücklich den Saal verließ. Ich selbst konnte direkt im Anschluss an den Auftritt meine Eindrücke kaum in Worte fassen, denn jedes Mal überrollt mich diese Show. Und sie nimmt mich mit zu alten Göttern und in längst vergangene Zeiten. Dorthin, wo der Alltag unwichtig wird, wo ich mich selbst spüre (ja, klingt kitschig, ist aber so). Und außerdem ist diese Musik für mich das, was der Bandname sagt: Heilung!

Ich persönlich danke also Maria, Franz, Kai-Uwe Faust, Christopher Juul und allen anderen Beteiligten für dieses Konzert, weil es mich aufgefangen hat. Ich danke Kilian Keuchel von Lifelight Design für ein grandioses Lichtkonzept, ich danke der gesamten Bühnen- und Toncrew für ein tadelloses Konzert. Und die CultureGuerillaz danken Kingstar Music, Landstreicher Booking sowie der Security dafür, dass wir dabei sein und Bilder machen durften (wenn auch "nur" von der Empore aus).

Autor: Billie


Galerie des Abends