Festivalbericht - WGT 2023 - Samstag

30 Jahre Wave-Gotik-Treffen – das ist wahrlich eine Hausnummer. Schon 30 Jahre lang ist Leipzig zu Pfingsten der Mittelpunkt der gesamten schwarzen Szene. Selbstverständlich mussten auch wir zum großen Jubiläum mit dabei sein.

Nachdem wir den Festival-Freitag bei einem „Treffen“ mit Dave und Martin auf der Festwiese verbracht haben, stürzten wir uns am WGT-Samstag ins Getümmel. Der erste Anlaufpunkt war das Steampunk-Picknick, wo unsere Billie bei heißen Temperaturen ihren Nachmittag verbrachte.


Am Samstag fand auch wieder das Steampunkpicknick im Deutschen Kleingartenmuseum statt. Die Nähe zum Red Bull Stadion und das gleichzeitig stattfindende Bundesligaspiel machte die Parkplatzsuche zu einem aussichtlosen Unterfangen, so dass ich (Billie) allein zum Picknick gegangen bin, während die beiden anderen Teammitglieder direkt zur AGRA fuhren.

Auf dem Gelände des Kleingartenmuseums hatten sich kurz nach 14 Uhr schon eine Menge Steampunks, viele Fotografen und andere Besucher versammelt, so dass es schon zu diesem Zeitpunkt schwierig war, noch ein schattiges Plätzchen zu ergattern. Doch auch auf der großen Wiese im Zentrum der Anlage gab es viele sonnenanbetende Gäste. Rundherum hatten sich ganze Grüppchen mit Decken, Sesseln, Klappstühlen und Tischen häuslich für das Picknick eingerichtet. An einem der Wege gab es ein paar Stände, zum Beispiel den der Zwergschlammelfenschutzinitiative, den von Bloody Brilliants und noch einige mehr. Seitlich der Wiese war wie immer die 'Kulturinsel', auf der Feline & Strange und Jessness ihre Musik präsentierten, am vorderen Wiesenrand hatten die Maker ihre tollen Kreationen rund um das Genre Steampunk aufgebaut und erklärten geduldig die ausgestellten Exponate. Im Biergarten des Museums konnten die Besucher sich mit Kaffee, kühlen Getränken (rote Brause, yeah!), Kuchen oder Gegrilltem versorgen.

Und natürlich gab es wieder jede Menge zu sehen: die Damen und Herren, die in teils sehr aufwendig und liebevoll gestalteten Gewandungen über das Gelände flanierten, wurden bei fast jedem Schritt von Fotografen aufgehalten, von denen die meisten auch so höflich waren, vorher um eine Fotoerlaubnis zu bitten. Währenddessen saßen die Picknickgruppen entspannt unter den mitgebrachten Sonnenschirmen und ließen sich ihre Häppchen, Sektchen und Obst schmecken. Es wurde viel gelacht und geschwatzt, schließlich hatten sich die meisten lange nicht gesehen und nutzten nun das Picknick, um sich gegenseitig auf den neuesten Stand zu bringen. Auch die Gewandungen wurden ausgiebig besprochen und Tipps ausgetauscht, wie und aus welchen Materialien die 'Anbauten' an den Gewändern am besten zu realisieren sind.

Ich blieb zwar nur ein bisschen länger als eine Stunde - ich wollte mit der Bahn zurückfahren und möglichst nicht mit Fußballfans kollidieren - aber ich habe die fast familiäre Atmosphäre im Kleingartenmuseum sehr genossen. Vielen Dank an dieser Stelle an Bloody Brilliants für die Organisation des Picknicks.


Parallel haben wir anderen uns an der Agra eingefunden, um Wetter, Zeit mit Freunden und das Angebot der Ständehalle zu genießen. In der Halle haben wir viele neue Händler entdeckt, die bisher noch nicht mit dabei waren. Außerdem waren andere Stände, die in der vergangenen Jahren ihre Ware angeboten hatten, nicht mit von der Partie. Das war erfrischend, aber zum Teil auch schade, weil es Dinge nicht mehr gab, die bei dem einen oder anderen auf dem Einkaufszettel standen. Durch die Außentemperaturen war es in der Halle aber auch recht warm, wodurch es dann wieder gut war, dass es nicht so voll gestellt war wie bisher. Überhaupt gab es einige Änderungen in der Agra-Halle – so war das Bistro in der Zwischenhalle zwischen Konzert- und Ständehalle geschlossen.


Die Lesungen und Veranstaltungen in der Halle 4.2 waren immer sehr gut besucht und schon vor dem jeweiligen Einlass war die Warteschlange sehr lang. Im Treffen-Café gab es auf der Empore in diesem Jahr wieder einmal eine Ausstellung von mehreren Künstlern und Fotografen – unter anderem von Annie Bertram. Dafür waren kleine Räume abgeteilt, so dass jeder Künstler seinen eigenen Bereich bekommen hatte. Dabei haben wir Skulpturen aus Spiegeln entdeckt, Bilder von Schönheiten und Lost Places sowie diverse Gemälde. Die Mischung war echt spannend. Uns hat das ein oder andere echt gut gefallen und wir hoffen, dass viele den Weg dahin gefunden haben, denn als wir dort waren, war niemand anderes vor Ort. Leider haben wir aber auch wenige Hinweise dafür auf dem Gelände der Agra entdecken können.


Auf dem Gelände der Agra an sich war aber reges Begängnis – wir suchten uns dann aber ein schattiges Plätzchen und frönten eine ganze lange Weile dem Treffen-Charakter, indem wir uns mit einigen Freunden trafen und unsere Gemeinsam-Zeit genossen. Viele sehen wir übers Jahr sehr selten bis gar nicht und so war dies wieder einmal eine tolle Gelegenheit, sich ausgiebig zu unterhalten. Dabei holten wir uns auch leckeres Essen von einem der Gastro-Anbieter vor Ort. Wir hätten am liebsten den ganzen Tag so verbringen können, doch einige Konzerte wollten auch noch besucht werden.


So machten wir uns dann doch auf uns waren schließlich in der Agra-Halle, um mit Hocico ins Festival zu starten. Die Moderatoren Elvis und Mark Benecke, die wie jedes Mal dazu gehören, begrüßten alle Anwesenden, die sie als „bunte Streusel“ bezeichneten. Mit guter Laune verkündeten die beiden, dass die mexikanische Formation in diesem Jahr ebenfalls ihr 30. Jubiläum feiert – „ist das ein Zufall, ich glaube Nein“. Und dann sollte es losgehen – „Lasst uns den Spirit der alten Geister auferleben“. Auf der Bühne war eine riesige Trommel zu sehen und aus dem Rauch traten eine Schamanin und ihre Gehilfin hervor, die die Show mit einem Segen eröffneten. Dann kamen auch Racso und Erk nach vorn – zweiterer mit Ski-Brille und Federschmuck auf den Schultern. Das sah echt cool aus. Auf der großen Videoleinwand im Hintergrund waren Bilder aus 30 Jahren Bandgeschichte zu sehen. Erk brüllte direkt drauf los – „make some noise“- und heizte mit „Flesh to lacerate“ gut ein. Dabei lief er von links nach rechts und an den vorderen Bühnenrand. „30 fucking years“ wollten hier zelebriert werden. Dann flog die Brille in die Ecke und der Klassiker „Untold blasphemies“ dröhnte aus den Boxen. Die Menge hatte richtig Bock und so wurde überall gesprungen oder getanzt – die Party nahm Fahrt auf. Es wurde immer wärmer, denn die Halle war auch richtig voll. Der Mikrofonständer, an dem mehrere Schädel befestigt waren, wurde vom Frontmann immer wieder in die Höhe gerissen, während er umherlief. Racso gab hier die Beats an, drehte an den Knöpfchen und bewegte sich dabei kaum mit. Vor der Bühne war dafür umso mehr los, denn bei „No one gets out alive“ bildete sich ein Moshpit, der zu den Klängen von „Bite me“ so richtig explodierte. Auch Erk wurde immer energischer und so legte er seinen Federschmuck ab, um noch wilder mitfeiern zu können. Es hätte also nicht besser sein können. Uns wurde es aber schon zu warm und stickig in der Halle und so lauschten wir dem Rest des Gigs aus dem Freibereich der Halle, wo wir bei einem kühlen Getränk einen Sitzplatz fanden und so auch Hits wie „Poltergeist“ mitbekamen. 2x 30 Jahre feiern – WGT und Hocico – das war mehr als gelungen!


Nach diesem Highlight sollte es direkt mit dem nächsten weitergehen, denn nun folgten Covenant im Programm. Die Stage wurde in blaues Licht und Nebel gehüllt und dann kamen Daniel und Daniel nach vorn. Herr Myer sorgte für abgefahrene Soundeffekte und diese gingen in die Melodie vom „Leiermann“ über. Die Fans jubelten los und als schließlich Sänger Eskil erschien, war die Stimmung schon richtig gut. Der Hit wurde hier auf Deutsch präsentiert, was wahnsinnig gut ankam. Überall sangen Zuschauer mit und es wurde ausgelassen getanzt. Auch Eskil selbst tanzte drauf los und versprühte gute Laune. Das machte echt Spaß! Zum nächsten Hit „Bullet“ wechselte das Licht von komplett blau zu komplett grün. Daniel sang hier mit, wobei seine Stimme stark verzerrt war. Wieder war es sehr voll in der Halle und niemand konnte zu diesen Beats stillstehen. Nach diesem flotten Beginn, gab es mit „I close my eyes“ etwas ruhigere Klänge, wo der Frontmann mit klarem und tiefem Gesang beeindruckte. Das war toll! Das fand auch die Band - „It’s wonderful to be back“, so Eskil mit einem Lächeln im Gesicht. Die kurze Verschnaufpause war dann schon wieder vorbei und „Edge of dawn“ kam zu seinen Ehren. Eskil und Daniel liefen um die beiden Keyboards herum, sangen ausgelassen und sprangen mit den Fans im Takt des Lichtgewitters auf und ab. „From the last record“ ging es weiter mit „False gods“, wo der Lichtmensch die Herren nun in rotes Licht tauchte. Sie wollten es echt wissen und holten mit ihren treibenden Rhythmen alles aus uns heraus. Am Ende des Tracks droschen Daniel und Eskil auf E-Drums ein. „With love from Sweden“ gab es schließlich die Kracher „Go Film“ und „Dead Stars“ auf die Ohren und hier rasteten die Fans schier aus. Es wurde mitgeklatscht und einfach nur noch gefeiert. Eskil sprach hier die Texte immer mal oder aber er sang sie – tolle Abwechslung. Im Anschluss stellte er seine Kollegen Daniel Jonasson und Daniel Myer – „Sohn des Leipzig“ vor, um dann verschmitzt zu fragen: „May I have the next dance with you please?“ Aber klar doch. Und so wurde bei „The Men“ oder „Stalker“ gemeinsam abgetanzt – was für eine Fete. „Thank you“ kam verbeugend von der Band und ein fettes Dankeschön von uns. Noch bis zu den Zugaben wurde eine wilde Party gefeiert und bis zur Verausgabung in der warmen Halle getanzt. Das machen wir bestimmt nochmal!


An diesem Tag war es so, dass „ein Highlight“ das nächste jagte. Dieser Meinung war auch Moderator Elvis. Dieses Mal hatte er Eisenkumpel Häusi von Rummelsnuff mit dabei, um den nächsten Act anzusagen. Die „Godfather of electronic bodymusic“ hatten für ihren Gig beim Wave-Gotik-Treffen gleich drei bisher unveröffentlichte Songs angekündigt. Und dann hießen Häusi und Elvis – zusammen mit allen Fans vor Ort – die Herren von Front 242 willkommen. Die wurde mit Jubel und viel Beifall begrüßt und schon erklang „First In/First Out“. Richard und Jean-Luc leuchteten mit Taschenlampen durch die Halle und tanzten mit den Massen drauf los. Strobo-Blitze erhellten die Szenerie auf der Stage immer wieder und mit einem „Guten Abend WGT“ begrüßte uns Richard schließlich. Die Belgier waren richtig gut gelaunt und verausgabten sich von Anfang an. Sie liefen hin und her oder tanzten zu den eigenen Rhythmen. Dabei heizten sie dem Publikum mächtig ein und das ließ es mit sich machen – schnell war die Party schon wieder am Höhepunkt. Der Sound zu „Don’t crash“ war echt gut – was in der Agra-Halle ja nicht unbedingt üblich ist - und so war es ein echter Genuss. Die Stimme von Jean-Luc war toll und im Hintergrund waren ein Video auf der Leinwand zu sehen. Dann nahm Richard die Sonnenbrille ab, obwohl er im Lichtkegel stand. Die Keyboarder waren beide sehr fokussiert und der Drummer gab wild den Takt an. Der „new track for you“ kam super an und wurde vom ersten Ton an ordentlich abgefeiert. Der Beat war so eingängig, dass das Stück absolut altbekannt klang – gekonnt ist eben gekonnt. Für unsere Ohren war das Teil einfach pur Front 242. Der Beifall fiel entsprechend frenetisch aus.


Wir waren an dieser Stelle aber schon wieder kaputt vom Feiern und es war auch so warm in der Halle, dass wir es nicht mehr aushielten. Und so machten wir uns auf den Weg, in unserer Herberge neue Energie aufzutanken.


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Autoren: Billie & Trixi


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