Nachgelesen - "Basement Tales Vol. 7 - Der Anhalter"

Der Verlag The Dandy is Dead ist ja unter anderem dafür bekannt, bizarre, gruselige und absolut andersartige Kurzgeschichten zu veröffentlichen. Das passiert immer wieder, wenn es einen neuen Teil der Basement Tales gibt, die als kleine Broschüren-Heftchen erscheinen. Am 15.03.2020 gab es schon Teil 7, der den Untertitel „Der Anhalter“ trägt. Immer dabei sind, neben den Geschichten verschiedenster Autoren, liebevoll gestaltete Plakate – jeweils eines passend zu einer Story aus dem Heft. Und jedes Heft hat ein Thema – gemäß dem Untertitel.

Wir alle sind ja bestimmt schon einmal per Anhalter mitgefahren oder haben jemanden mitgenommen, der am Straßenrand stand und seinen rechten Daumen in den Wind hielt. Und wenn das nicht, haben wir zumindest schon einmal jemanden mit einem Schild in der Hand stehen sehen, der oder die irgendwohin wollte. So auch in dieser Geschichtensammlung.


In „Kindermund“ von Markus Heitkamp wird das Ganze aus der Perspektive von Horst erzählt – einem „Paketfahrer“. Bei einem seiner Aufträge trifft er auf Volker – einen ganz speziellen kleinen Jungen. Und bei Volker sind auch noch seine Eltern – seine Mutter Ilse, die sich mit Pamela Anderson messen könnte und Volkmar, der Vater, der so gar nicht zur Attraktivität der Mama passt. Die drei schaffen es dann, von Horst mitgenommen zu werden – auf seiner Tour nach Lummerland in Kroatien. Die Sprüche von Volkmar zu Ilse und seinem Sohn sind während der Fahrt alles andere als nett und liebevoll, was Horst dazu treibt, ein paar besonders akrobatische Fahrmanöver zu vollführen, was Volkmar nicht so bekommt. Immer mehr unschöne Dinge erfährt der Fahrer über seine Fahrgäste, angeheizt durch den ein oder anderen gezielten Spruch von Volker. Was da so alles passiert und wie die Sache für Volkmar und Ilse endet – und speziell für den Jungen – das ist alles ein wenig unerwartet und dennoch durchaus nachvollziehbar. Und nein, Volker ist nicht Schuld! Würdet ihr denn auch so reagieren, wenn ihr derlei Dinge erfahren würdet? Ich schwanke da ja noch…


Die nächste Geschichte „Der Anhalter“ von Simona Turini heißt wie das ganze Basement Tales-Heft. Hier trifft der Leser auf Antonia, die allein lebt „und doch nicht“. Antonia lebt mit Geistern, denn „es gibt Geister“. Sie begleiten sie schon ihr Leben lang – ein Leben, das damit begann, dass ihr Zwillingsbruder bei der Geburt starb. Ihr „wahnsinnige“ Mutter hatte ihr immer erzählt, dass er sich an ihr festhielt im letzten Moment und so an ihrem Fuß hängenblieb. Deswegen hatte sie letztendlich eine Fehlbildung ihrem linken Fuß. Diese Behinderung schränkte sie lange ein, denn sie hatte starke Schmerzen und konnte anfangs nur sehr schlecht laufen. Je schlechter es ihr ging, umso mehr Geister oder Gespenster fanden sich in ihrer Umgebung wieder. Aber diese sind irgendwie immer ortsgebunden und bleiben in Wohnungen, wenn sie umzieht. Doch immer gesellen sich neue Gestalten zu ihr. Antonia spricht den Leser die ganze Zeit direkt an, immer darauf bedacht, zu verraten, warum die Geister ihre Nähe suchen – und am Ende erfahren wir es auch. Und einen Ausweg aus dem Ganzen gibt es auch – der ist aber alles andere als schön. Wer einen schwachen Magen hat, sollte das Ende überlesen. Ja, so geht Horror! Gut gemacht, Simona.


Auch Uwe Voehls Story trägt den Namen „Der Anhalter“. Und sie ist die kürzeste Erzählung des ganzen Heftchens – gerade einmal knapp zwei Seiten lang. Hier erzählt ein Kind davon, dass es die Zeit anhalten könne. Das konnte es schon immer und macht es eher unbewusst, als gewollt. Später gab es immer wieder Situationen, in denen es bewusst die Zeit manipulierte – zu seinem und seiner Mutters Vorteil. Und zu Onkel Hans Nachteil… Wozu ein Kind fähig ist, wenn Mama und es selbst geschlagen werden – lest es selbst nach… Auch hier schwanke ich sehr, ob auch ich so handeln würde, wenn mir solch eine Gabe zuteil werden würde. Ein kleiner Teil von mir tendiert stark dazu…


Bei Jens Gehres treffen wir in „Der Bibliothekar“ auf die Medizinstudentin Meike, die im Jahr 2030 lebt. Die Welt versinkt im Chaos nach einem Atomkrieg – ausgelöst vom unsäglichen Donald Trump. Es gibt kaum noch Ölreserven auf der Welt und Autos sind rar. Deswegen sind Bushaltestellen zu Anhalterhaltestellen umfunktioniert worden, wo jeder auf eine Mitfahrgelegenheit warten kann. Dabei spielt allerdings wirklich Glück eine Rolle, denn oft muss der einzelne sehr lang warten und hoffen. Meike hat Glück und wird von Georg in einem alten Tesla mitgenommen. Auf ihrer Fahrt passieren sie Checkpoints und wüste Landschaften. Georg wirkt dabei die ganze Zeit wie ein Gehetzter und hat Angst vor „Big brother“ und dem Internet. Im Laufe des Gespräches zwischen den beiden stellt sich heraus, dass der Mann ein Bibliothekar ist bzw. war, der bestimmte Daten retten wollte – retten vor einem „politischen Gremium“. Das wird aber nicht gern gesehen und so verfolgt sie schließlich ein Panzer. Wie weit würden die Soldaten gehen, um die Daten zurück zu bekommen – oder wollen sie sie einfach nur zerstören? Meike und Georg durchleben dramatische Augenblicke und es geht leider nur für einen von beiden gut aus. Wer das sein wird, verrate ich euch nicht – das müsst ihr schon selbst nachschmökern. Für mich als Bücherfreund und Leseratte ist allein die Vorstellung dieser kleinen Dystopie Gruselfaktor genug – auf dass es nie soweit kommt!


„Vor Anhaltern wird gewarnt“ ist die letzte Erzählung im Bunde – aus der Feder von Christopher Tauber. Die Hauptfigur ist „Transferfahrer“. Das heißt, dass er Autos herumfährt, die ihm nicht gehören und dafür wird er auch noch bezahlt. Für viele Außenstehende klingt das nach einem tollen Beruf, für ihn selbst ist es eher oft Langeweile pur. Und um dieser Einöde zu entkommen, nimmt er hin und wieder Anhalter mit auf seinen Touren. Eine dieser Begegnungen wird hier genauer erzählt – Nils, der Anhalter, hatte einen Unfall und ist sehr froh, dass er mitgenommen wurde nach diesem dramatischen Erlebnis. Als Gegenleistung lädt er seinen Fahrer auf einen Drink mit zu sich nach Hause ein. Erst ist alles ganz entspannt, doch nach einer Weile entwickelt sich das Ganze sehr grotesk. Damals bei Bennie und Heiko war es auch schon einmal so. Wer die beiden sind – das erfahrt ihr im Laufe des Berichtes, wie der Fahrer zu Nils wird – ja, ihr habt richtig gelesen. Wie das funktioniert und ob Nils nicht etwa etwas dagegen hat. Was denkt ihr? Einfach und nett ist es nicht, aber es scheint für den Fahrer gut zu klappen. Ich würde aber sagen – nicht zum Nachahmen empfohlen.


In den Geschichten im Heft 7 der Basement Tales werden immer wieder Erlebnisse geschildert, die zum Nachdenken anregen. Wie würdest du reagieren? Könntest du dich zu so etwas hinreißen lassen? Alles sehr bizarr, auch blutig und brutal, aber schon in gewisser Weise auch nachvollziehbar. Dass ich unschlüssig bin, hab ich ja schon erwähnt – wie würde es euch so ergehen? Verratet es uns doch einmal. Auf jeden Fall waren die Stories spannend und allemal lesenswert. Wozu doch der Mensch alles fähig ist. Und per Anhalter fahre ich nun bestimmt nie mehr! Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt – die tollen Plakate stammen dieses Mal von Zymryte Hoxhaj, Zippo Zimmermann, MindyTheGap und SEC7. Wie immer zeichnet Stefan Hübsch für die Gestaltung des Covers verantwortlich.


Autor: Trixi

Veröffentlichungsdatum: 15.03.2020

Verlag: The Dandy Is Dead

Format: A5 Broschüre / 48 Seiten

ISBN: ‎978-3947652136


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