Dass ich
eine Schwäche für Anthologien habe, hat der ein oder andere sicherlich schon
mitbekommen. Und wenn in solchen Kurzgeschichtensammlungen auch noch Herzensautoren
mitwirken, dann finde ich diese umso toller. Bei „Räubertochters Kinder“ ist
das zum Beispiel der Fall. Herausgegeben haben das Ganze Isa Theobald und
Markus Heitkamp. Die beiden haben sich noch zehn weitere Schreiberlinge
gesucht, die mit ihnen gemeinsam Erzählungen geschaffen haben, die sich
allesamt nicht mit Prinzessinnen und dergleichen, sondern eher mit heldenhaften
Kindern befassen. In jedem von uns steckt immer noch ein Kind und all diese
sollen hier geehrt werden. Die absolut hübschen Illustrationen auf dem Cover
stammen von Sabine Klotzsche, auch bekannt als Eulenfrollein. Erschienen ist
das Werk beim Verlag Edition Roter Drache und alle Einnahmen werden an den
gemeinnützigen Verein fit4charity e.V. gespendet – ein Verein, der sich für
kranke, hilfsbedürftige und benachteiligte Kinder und Jugendliche einsetzt.
Und nun
möchte ich euch kurz meine liebsten drei Geschichten aus dem Buch näher
vorstellen. Dies ist meine ganz persönliche Rangliste und sagt nichts darüber
aus, ob die anderen Stories weniger toll sind. Das sind sie nämlich absolut –
diese 12 kleinen Werke sind allesamt bezaubernd, entzückend, mitreißend und uneingeschränkt
lesenswert.
Den Anfang
macht bei mir „Hüterin des Berges“ von Kathleen Weise. Hier lernen die Leser
Sandra und Mario kennen, die sich auf den Weg machen, um Altpapier zu sammeln.
Damit wollten sie Geld für Nicaragua sammeln. All ihre Klassenkameraden waren
ebenfalls unterwegs, aber die beiden hatten sich besonders zeitig aufgemacht,
um möglichst viel sammeln zu können und so die besten in der Klasse zu sein.
Sie hatten einen ganzen Berg zusammen bekommen, unter dessen Last irgendwann
ihr kleiner Handwagen aufgab und die Vorderachse brach. Sie wollten den Berg
aber nicht allein lassen und so machte sich Mario auf, für Ersatz zu sorgen, so
dass sie ihre Beute noch rechtzeitig zur Sammelstelle bringen konnten. Sandra
bewachte allein den Papierberg. Während ihrer langen Wartezeit musste sie der
Versuchung widerstehen, in den Konsum zu flitzen und sich für Bananen
anzustellen. Außerdem kam ein bellender Hund, den sie abwehren musste. Ihr
Freund kam so lange nicht wieder, dass sie noch die „Flimmerstunde“ verpassen
würde. Und dann kamen auch noch andere Schulkameraden, die ihr fast noch das
ganze Papier abluchsen wollten. Aber nix da! Sie verteidigte es gegen jeden,
denn Pioniere geben nicht auf. Am Ende ist Mario wieder da und sie können ihre
schwere Last noch abgeben und das Lob ernten. Diese Geschichte hat mich absolut
in ein Zeitloch fallen lassen, denn auch ich habe in meiner Zeit als Kind in
der DDR regelmäßig an solchen Altpapier-Sammelaktionen teilgenommen. Das war
immer aufregend. Erst den Wagen besorgen, dann Zettel vorbereiten und in der
Nachbarschaft verteilen, wann wir denn kommen würden, um das Altpapier
abzuholen und schließlich die Sammlung selbst. Das war zwar jedes Mal
beschwerlich, aber hat auch Spaß gemacht. Und auch wir mussten unsere Beute hin
und wieder verteidigen, aber zumeist nur gegen das Wetter. Ich danke Kathleen
an dieser Stelle für all die Erinnerungen, die mir beim Lesen in den Sinn
kamen. Und die kleine Hüterin war wirklich tapfer!
Als nächstes
ist mir besonders Bernhard Stäbers „Das Wort für Ewigkeit“ im Gedächtnis
geblieben. Erinnert ihr euch noch an die „Schneekönigin“? Und ich meine jetzt
nicht sowas wie Elsa und den Schneemann usw. Nein, es geht eher um das
Original-Märchen von Hans Christian Andersen, in dem Gerda auf die Suche nach
ihrem Freund Kay geht, den die eiskalte und bösartige Schneekönigin in ihr
Reich entführt hat. Bernhard hat sich dieses Märchen als Vorlage hergenommen
und hat einen Teil neu erzählt. Es gibt in der ursprünglichen Geschichte eine
Passage, wo Gerda auf ihrer Reise von Räubern überfallen wird. Die
Räubertochter Jaská beschützt das Mädchen davor, aufgegessen zu werden und auch
hier ist das so. Nur lesen wir das Ganze nicht aus der Sicht von Gerda, sondern
aus der Sicht von Jaská. Wie sie die Gefangennahme miterlebt und was sie über
das fremde Mädel denkt. Sie beobachtet sie im Schlaf und sieht dabei, wie Gerda
träumt, wie sie im Traum mit den Tieren von Jaská spricht. Welch sonderbare
Gabe das doch ist. Selbstverständlich lässt sich auch hier die kleine Räuberin
erweichen und hilft Gerda auf ihrer Suche und der Reise zur „Hüterin des
Schnees“ – auch wenn sie Angst vor deren Rache und vor allem vor der Strafe
ihrer Eltern hat. Aber das Gefühl der Freundschaft und der damit verbundenen
Bande sind stärker und sie riskiert alles dafür. Wie es für sie endet, lest ihr
am besten selbst nach. Mich hat es sehr berührt und ich fand die Idee, die
Begegnung einmal anders zu erzählen, wirklich schön. Absolut fesselnd
geschrieben und mit einem Ende, das mir doch ein wenig die Augen feucht werden
ließ. Toll gemacht!
Als letztes
möchte ich den Blick auf „Wo die Fische schlafen“ von Herausgeber Markus
Heitkamp lenken. Die Story ist in Prolog, vier Mini-Kapitel und einen Epilog
aufgeteilt. Im Prolog treffen wir auf Elizabeth Rosenbaum, eine ältere Dame,
die auf ihrem Weg durch einen Wald auf Liza Müller trifft – ein kleines
Mädchen, das im Wald spielt und die Dame zuerst für einen „weiblichen Gandalf“
hält. Noch vor einiger Zeit ist Liza immer mit ihrem Opa in den Wald zur alten
Festung gegangen, aber seit er nicht mehr da ist, eilt sie eben allein in der
Natur umher. Schnell wird klar, dass Elizabeth und Lizas Opa sich kannten. Und
dann erzählt die alte Frau die Geschichte „von dem Wolf, der dort in der
Festung sein Unwesen trieb.“ In den folgenden Kapiteln erfahren wir von der
Stelle, wo im 2. Weltkrieg eine Bombe eingeschlagen hat – dort „wo die Fische
schlafen“, denn durch die Bombe wurde ein Teich leck geschlagen und die
Elizabeth und ihr Freund Fritz retteten die Fische. Dabei trafen sie auch auf
Wehrmachtssoldaten, die Fritz verbieten wollten, mit seiner Freundin, dem
„Schmuddelkind“, zu spielen. Aber die Liebe unter Freunden ist nun einmal
stärker als alles andere und so hielten sie zusammen. Fritz verhalf Elizabeth
und ihrer jüdischen Familie sogar zur Flucht vor den Soldaten und ihrem Kommandanten
– dem Wolf. Und im Epilog verriet Liza, dass ihr Opa, der Fritz aus der
Geschichte nicht etwa tot war, sondern eben nur nicht mehr da – er lebt im Heim
und gemeinsam machte sie sich mit ihrer „Namens-Omi“ auf den Weg, ihn zu
besuchen. Diese Erinnerung an den Weltkrieg und die Gräuel, die Elizabeth als
Kind erleben musste und aber auch die schönen Gedanken an ihren Kindheitsfreund
– all das macht diese Erzählung zu einem Juwel im Buch. Denn es zeigt, dass
Hoffnung und Freundschaft alles überstehen können.
Auch all die
anderen Kurzgeschichten von Boris Koch, Christian von Aster, Sonja Rüther,
Fabienne Siegmund, Isa Theobald, Nicci Zoe, Ann-Kathrin Karschnick, Diana Kinne
und Silvia Orgel beschäftigen sich mit Freundschaft, kleinen Abenteuern und
Erlebnissen, die die Kids in diesem Buch zu Helden werden lassen – in welcher
Form auch immer. Ich habe dies alles absolut gern gelesen und war gern auch
wieder selbst Kind bei all den Welten, die hier durchschritten werden können.
Und wie schreibt Isa so schön in ihrer Geschichte: „Wir brauchen mehr Pippis in
dieser Welt von Annikas!“ Absolut! Jedes Kind sollte seine*n innere*n Rebell*in
ausleben und so erleben, dass Abenteuer das Leben doch erst lebenswert machen.
Ich mag das Buch sehr und ich hoffe, ihr auch. Schmökert unbedingt mal rein und
mit dem Kauf tut ihr auch noch etwas Gutes. Na, wenn das mal nichts ist?!
Autor: Trixi
Veröffentlichungsdatum: 01.10.2020
Verlag: Edition Roter Drache
Format: 254 Seiten
ISBN: 978-3968150086