Festivalbericht - Festival-Mediaval 2022 - Samstag

Der Samstag startete für uns mit den drei Newcomerbands, die sich für den Mittelalter-Rock-Wettbewerb um den Goldenen Zwerg qualifiziert hatten. Jeweils dreißig Minuten Spielzeit stehen dafür zur Verfügung und den Anfang machten Ghosttown Company, eine Folkrock-Formation aus Rheinland-Pfalz, die es seit 2015 gibt. Das kurze Set verriet viel Passion und auch jede Menge Professionalität. Das Publikum ließ sich bereits nach den ersten Tönen mitreißen und so ging es eine knappe halbe Stunde quer durch das Repertoire der Band. Die kurze Umbaupause nutzten die Besucher zum Luftholen, bevor Vera Lux die Bühne betraten. Die Band aus Nürnberg, die sich eher dem Folkmetal verschrieben hat, zeigte mit ihrem Auftritt, dass sie mit Leib und Seele dabei sind - was auch nicht zuletzt an Frontfrau Inara mit ihrer klaren Stimme liegt. Getreu ihres Namens hat die Band ein "wahres Licht" entzündet. Gut gemacht! Nun folgten noch Wyst, eine Formation aus Dresden, die optisch auf lange Kutten und ritualartige Gesichtsbemalung setzte. Musikalisch erinnerte uns das Ganze an Heimataerde, wenn auch insgesamt ruhiger. Auch diese Band fand ihre Liebhaber, so dass es am Ende bei der Auszählung zum Award verdammt knapp war. Schließlich konnten Vera Lux den Goldenen Zwerg mit nach Hause nehmen. Herzlichen Glückwunsch dazu!


Wegen der Auftritte zum Award bekamen wir den ersten Gewinner vom letzten FM nur am Rande mit. Kupfergold spielten nämlich den Opener auf der Schlossbühne und hatten auch dort ein begeistertes Publikum.

Wir schlenderten anschließend nach unten zur Burgbühne, wo sich Zwiebelgeschmack gerade auf ihr Set vorbereiteten. Die versammelte Menge war gespannt und als es schließlich losging, gab es sofort Bewegung im Publikum. Die Frankfurter Formation, die sich schon etliche Lorbeeren auf unzähligen Märkten, Festivals und dem Conquest of Mythodea erspielt hat, spielt nach eigenen Angaben Trash-Folk, sieht aus wie eine Ska-Punkband und verstand es, das Selber Festivalpublikum mitzureißen. Obwohl das Wetter eher kompliziert, um nicht zu sagen ekelhaft nass war, schien irgendwie die Sonne. Frontmann Ochse versprühte jede Menge gute Laune und setzte sich sogar für den Titel "Serien suchten" mitten in die Menge - und damit auf den nassen Rasen. Davon ließen sich aber die Besucher nicht abhalten und setzten sich einfach dazu. Krasse Sache! Lustig war auch das "Verrückte Hühnchen", bei dem der gleichnamige Didgeridoo-Spieler durch die Menge flitzte und mehr oder weniger koordiniert gackerte, während seine Bandkollegen auf der Bühne spielten. Dieser Auftritt hat wirklich Spaß gemacht und falls ihr mal die Möglichkeit habt, Zwiebelgeschmack live zu erleben - nutzt das aus, es lohnt sich!


Für mich ging es danach direkt ins Literaturzelt, denn ich durfte zusammen mit einigen anderen Autoren aus der FM-Anthologie "Wir sind die Bunten" lesen. Unter der "Regie" von Amandara Schulzke, die alljährlich das Literaturzelt organisiert, saßen insgesamt zehn Vertreter der Anthologie auf der Bühne vor reichlich gefüllten Bänken, während draußen der Regen auf das Zeltdach prasselte. So wurde es ein wirklich buntes Potpourri aus Geschichten, unter anderem von Bernhard Hennen und Robert Corvus, Tommy Krappweis, Andrea Bannert, Amandara selbst und Karsten Heilmann. Die Zuhörer spendeten reichlich Applaus und der Verleger Björn Bedey, in dessen Acabus Verlag die Anthologie erschienen ist, freute sich über das rege Interesse. Zum Abschluss wurde noch das eine oder andere Gruppenfoto gemacht und diverse Bücher im eigens eingerichteten Signierzelt unterschrieben.


So war unser nächster musikalischer Programmpunkt dann auch erst Pampatutti, die als fünfköpfige Festivalvariante von Pampatut auf der Schlossbühne standen. Mittlerweile hatte sich der Regen verzogen und so konnten Max von Gluchowe und Holger Hopfenstreich bei Sonnenschein starten. Gewohnt witzig ging es los und unter den Fotografen wurden schon Wetten abgeschlossen, wie viele Lieder es wohl dieses Mal ins Set schaffen. Um ehrlich zu sein, kann ich es gar nicht genau sagen, denn die meiste Zeit geht bei dieser Formation immer für sketchartige Zwischengespräche unter den Bandmitgliedern und Interaktion mit dem Publikum drauf - aber es ist immer sehens- und hörenswert, zumal das musikalische Können der Herren dem Ganzen die Krone aufsetzt. Wir schauten noch eine Weile zu und verzogen uns dann ins Backstage, um etwas zu essen und ein kurzes Päuschen einzulegen.


In der Zwischenzeit hatte es mal wieder zu regnen begonnen, so dass unser Besuch bei LQR auf der Burgbühne nur kurz ausfiel. Die Formation aus den Niederlanden mixt Folkrock mit Gypsyklängen, amerikanischem Bluegrass und ein bisschen Punk. Die Menschen vor der Bühne, denen der Regen offensichtlich nichts ausmachte, tanzten und feierten. Die Band schenkte in der ersten Reihe Whisky aus und so wurde das Konzert eine würdige Pub-Party im Stil von The Pogues oder Flogging Molly, wenn auch mit nicht zu unterschätzendem Matschfaktor auf der Wiese. Aber hey…


Pünktlich um 19 Uhr hatten sich dann wohl die meisten Besucher vor der Schlossbühne versammelt, denn Corvus Corax hatten die Vorstellung ihres neuen Albums "Era Metallum" angekündigt. Mich persönlich holt die Musik der 'Könige der Spielleute' schon lange nicht mehr wirklich ab, aber was die Berliner da auf die Bühne gezaubert haben, war schon großes Kino. Die neu aufgelegten Tracks, die von verschiedenen Alben der Band kommen, haben alle ein fettes Facelift in Richtung Metal und Rock bekommen und showmäßig ließen Castus und Co. kaum einen Wunsch offen. Es gab Aerial-Silk-Artistik von Simone Heitinga, die auch beim Cirque du Soleil zu sehen ist, und eine fulminante Feuershow von Pyrostyx. Die Münder der Zuschauer standen weit offen vor Staunen und der Beifall fiel immer sehr kräftig aus. Am Ende des Auftritts bekam Frontmann Castus noch eine Torte überreicht. Die hatte das FM-Team eigens für den Sänger gebacken, denn er hatte an dem Tag Geburtstag und bekam so auch gleich die Glückwünsche des Publikums mit auf den Weg. Ich muss den Berlinern neidlos zugestehen, dass sie immer für eine Überraschung gut sind und was da auf dem Goldberg passiert ist, sucht wirklich seinesgleichen. Chapeau, die Herren!


Next stop Burgbühne, wo es mit Celkilt nach Frankreich ging. Wenn ich allerdings die Musik der Band hernehme, war es wohl eher amerikanischer Highschoolrock im Mix mit Irish Folk. Diese Art Fusion war neu für mich, die Band auch und so ließen wir uns auf ein sehr tanzbares Set ein. Die Formation setzt optisch auf Kilt und hatte sichtlich Spaß an ihrer eigenen Musik. Ana Macfive, Iain Macwind, Titou Macfire, Drik Macwater und Rem's Macground sprangen über die Bühne, während sie ihre Instrumente bedienten, forderten sie zum Tanzen, Mitsingen und Springen auf - es war eine Freude ihnen zuzusehen und zuzuhören. Wir wippten und klatschten im Takt mit, freuten uns über die tanzenden Besucher und waren froh, dass es gerade mal nicht nass vom Nachthimmel regnete. Celkilt waren unbestritten ein Highlight des Abends, wenn nicht des ganzen Festivals!


Ähnlich heftig ging es dann auf der Schlossbühne weiter, wo uns eine vier Meter große (!), aufgeblasene Badeente begrüßte. Die gehörte zur Show von Alestorm und während die meisten noch über das Ballontier verwirrt waren, wurden in den ersten Reihen bereits von einem Teammitglied der Band kleine rote Trillerpfeifen verteilt. Das Fragezeichen über den Köpfen der Gäste hätte nicht größer sein können! Aber mit Beginn der Show klärte sich alles auf, denn die britische Formation stürmte zu den Klängen von "Baywatch" und passend in Badehosen gekleidet die Bühne. Dann folgte ein Feuerwerk aus Pirate Metal, Rock und jeder Menge Spaß! Wenn ich den Gig vergleichen müsste, würde ich als Pendant die Band Electric Callboy heranziehen. Genau wie ihre deutschen Kollegen nehmen sich Alestorm selbst nicht zu ernst, verbreiten gute Laune und machen jeden Auftritt zu einer unvergesslichen Party - so auch in Selb und das war wirklich ein gelungener Tagesabschluss.


Jedenfalls fast, denn eine Band stand noch im Programm auf der Burgbühne. Nytt Land aus dem tiefen Sibirien waren angekündigt und wir waren gespannt. Das Duo, welches für seine erdigen, fast rituellen Stücke bekannt ist, durfte sich zunächst über zahlreich anwesende Zuhörer freuen. Obwohl eigentlich fünf Menschen zur Band gehören, waren nur Anatoly und Natalya Pakhalenko in Selb zu Gast. Während ihr Mann an den Trommeln Platz nahm, stand die Sängerin in lange Roben gehüllt am Mikrofon. Und was dann aus dieser kleinen Frau an Tönen herauskam, während Anatoly den Rhythmus vorgab, kann ich gar nicht in Worte fassen. Irgendwie erinnerte mich die Optik und der Sound an alte russische Märchenfilme, aber schließlich trägt die Sängerin nicht umsonst den Spitznamen Baba Yaga. Die Mischung aus treibenden Beats, schamanischen Gesängen und zwischendurch glasklarem Gesang nahm uns alle mit in die weiten Wälder im Osten Russlands. Tief beeindruckt verließen wir die Band, die insgesamt eine Stunde Spielzeit zur Verfügung hatte, und fuhren in unsere Pension - immer noch unter dem Eindruck der Musik, welche die Nacht auf dem Goldberg irgendwie magisch gemacht hatte. Das war wirklich großartig!


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Autor: Billie


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