Festivalbericht - NCN 2023 - Freitag

Bereits zum 16. Mal fand in diesem Jahr die Nocturnal Culture Night im Kulturpark Deutzen statt. Und auch dieses Mal hatte das Team um Organisator Holger Troisch wieder ein umfassendes Programm zusammengestrickt, auf das sich alle Festivalbegeisterten absolut freuen konnten. Selbstverständlich waren auch wir wieder mit von der Partie, um das Angebot auf den mittlerweile fünf Bühnen und den Park, die Atmosphäre, viele Freunde und das Wetter zu genießen – so zumindest der Plan.

Zuerst einmal mussten wir am ersten Festivaltag am Einlass warten, da sich dieser aus verschiedensten Gründen verzögert hatte. Das machte aber nichts, denn direkt der erste Gig wurde etwas nach hinten verschoben, damit die Formation Alchemists of Mu nicht vor leeren Reihen aufspielen musste. Die Band – bestehend aus Tobi von Janus, Oliver Graute und den Stimmen vom Hardchor Stimmgewalt – war gekommen, um „Geschichten zu erzählen“, so Moderatorin Anne. „Sowas hatten wir noch nie.“ Recht hatte sie, denn das, was dann dargeboten wurde, war besonders und neu. Oliver als Frontmann trug eine Pyramide auf Händen – „eines der ältesten Schriftstücke der Menschheit – die Chroniken von Mu“. Im Hintergrund wurden zu den einzelnen Tracks verschiedene, wunderschöne Bilder gezeigt. Der Chor kam in Roben hervor und beeindruckte mit seiner Stimmvielfalt. Die musikalische Mischung aus fetten Beats und monumentalen Klängen war sehr spannend und ließ die Zuschauer mitwippen. Nach und nach erzählte das Ensemble von Kriegern, die versuchen, die Menschheit zu retten, indem sie mit einem Schiff durch die Welten reisen. Das Ganze machte eher den Eindruck eines Theaterstückes, das mit Liedern gespickt war, als ein reines Konzert. Die Chorsänger waren allesamt im Gesicht geschminkt, trugen LARP-Waffen bei sich, um damit zu kämpfen oder sie schlugen damit auf Metallrohre, was den Soundteppich noch ergänzte. Dabei vollführten sie alle zusammen immer wieder eine Art Choreografie, was optisch zu den besonderen Klängen passte. Tobi war leider nur im Hintergrund aktiv und so kaum zu sehen. Dafür bewies Oliver mit seiner Präsenz, dass er als Frontmann der Gruppe sehr gut geeignet war. Wir waren auf jeden Fall sehr beeindruckt und wollen davon noch mehr sehen – auch wollen wir wissen, warum Mu nun doch untergehen musste. Bis hoffentlich ganz bald – das war auf jeden Fall eine mehr als gelungene Live-Premiere für die Alchemists.


Weil ich den ersten Gig fast ganz geschaut hatte, verpasste ich XTR Human und bekam nur noch die letzten Klänge mit. Als das verklungen war, konnte Ian Leding auf der kleinen Kulturbühne in die Gitarrensaiten greifen. Er und seine Kollegin Annie, die mit der Djembe-Trommel den Rhythmus vorgab, begannen sehr ruhig. Ians intensive Stimme nahm die Zuhörer mit auf eine Reise in eine Gothic-Folk-Welt. Der zweistimmige Gesang des Duos klang wirklich toll und wurde auch mit Beifall belohnt. Noch war das Publikum recht dünn gesät, aber die, die hierher gefunden hatten, genossen mit geschlossenen Augen und nutzten diese Möglichkeit, runterzukommen und den Alltag abzustreifen. So in ein Festivalwochenende zu starten war gar nicht so verkehrt.


Weiter ging es dann mit Darkwave aus Herford, denn die Amphibühne bot den Auftritt von Toal. Das Quartett wurde immer wieder in Nebel gehüllt, aber dennoch waren Sängerin Luzi und ihre Jungs gut zu sehen. Vor allem ihr schickes Outfit war etwas fürs Auge. Aber auch ihre Stimme sorgte für Bewunderung. Sie passte gut zu den Sounds, die uns irgendwie an Blutengel – ergänzt um härtere Drums und Synth-Keyboard-Elemente – erinnerte. Der Live-Drummer gab hier alles, um die Beats kräftig zu gestalten. Dem Publikum gefiel die Darbietung auf jeden Fall so sehr, dass hier, trotz einsetzendem Regen, getanzt wurde. Na das ist doch mal was.


Elektronische Klänge aus Frankreich standen mit dem Duo Potochkine im Anschluss auf der Parkbühne auf dem Programm. Pauline und Hugo waren absolut in ihre eigene Musik vertieft und gingen ordentlich ab – da wurde auf der Stage ausgelassen getanzt und davor taten es ihnen die Fans gleich. Ihre Stimme hatte eine wunderbare Varianz – mal tief und düster und dann wieder hoch und lieblich. Sie hatte außerdem ein zweites Mikrofon dabei, das mit einigen Effekten noch mehr aus ihrer Stimme holte. Mit flackerndem Licht und viel Nebel wurde das Ganze zu einer Art Gesamtkunstwerk, das für Begeisterungsrufe sorgte. Die Rhythmen rissen förmlich mit, so dass kaum ein Zuschauer stillstehen konnte. Das Duo hatte sichtlich Spaß und das machte Freude anzusehen und anzuhören. „Alles ist gut?“ so Paulines Frage an ihr Auditorium – dieser französische Akzent war schon sehr sexy. Und so konnte die Frage nur mit einem lauten „Ja!“ beantwortet werden. Das war mal eine schöne Neuentdeckung, denn bisher hatten wir Potochkine noch nie live erleben können. Das war aber definitiv nicht das letzte Mal.


Alte Hasen waren dann auf der Amphibühne an der Reihe. Die Instrumente von Eisfabrik leuchteten und die Aufbauten dafür waren sehr futuristisch. Besonders gefiel uns der Arm eines Industrieroboters, der hier als Mikrofonständer diente – coole Idee. Apropos cool – mit der Band geht es ja immer in Welten aus Eis und Schnee und derselbe fiel im Laufe des Gigs gleich mehrfach auf der Stage – aber das kennen wir ja nicht anders. Auch der Yeti war wieder mit von der Partie und tanzte zwischen Frontmann Charlie und seinen Kollegen hin und her. Auch ein Fan hatte sich als Yeti verkleidet und tanzte auf den Stufen des Amphitheaters wie wild umher und animierte alle zum Mitmachen und Klatschen. Der Regen vom Himmel nervte etwas, aber die Fans störte das gar nicht. Es wurde sogar immer voller vor der Bühne und so wurde es mit Songs wie „Mirror“ oder „Polar light“ eine wilde Party. Die Arme waren immer wieder oben, es wurde im Takt mitgeklatscht und lauthals gejubelt. Einige Fans hatten Luftballons aufgeblasen, die über den Köpfen der Menge umherschwebten und als Spielzeug beim Tanzen dienten – ein schönes Bild.


Der Regen war mittlerweile echt stark geworden, aber nichtsdestotrotz wollten wir auf jeden Fall Empathy Test auf der Waldbühne schauen. Viele Fans hatten sich mit Schirm und Regenjacke ausgestattet und so konnte es losgehen. Sänger Isaac und seine beiden Kollegen an Keyboard und Drums waren gut drauf und ließen es richtig krachen. Der Sound war richtig gut und Hits wie „Monsters“, „Empty handed“ oder auch „Vampire Town“ und „Demons“ wurden lauthals mitgesungen und tanzen war hier angesagt. Wir standen ein wenig am Rand unter den Sonnenschirmen bei den Sitzbänken und feierten dort etwas geschützter mit. Einige Fans hatten sich eine Bank geschnappt, darauf gestellt, um noch besser sehen zu können, und genossen das Ganze von oben – auch eine Idee. Die Mischung aus den bekannteren, etwas schnelleren Tracks und ruhigerem, neuen Material war gelungen und sorgte für viel Applaus. Isaac verausgabte sich und kam immer wieder an den Bühnenrand. Er hatte Sorge, dass bei dem Wetter keiner kommen mochte, aber genau das Gegenteil war der Fall, was ihn sichtlich rührte und lächeln ließ. Das war wie immer ein Highlight und auch bei Regen sorgen Empathy Test für gute Stimmung.


Manya kündigte später auf der Amphibühne Near Earth Orbit als „schwärzer als schwarz“ an. Sie meinte, sie sei froh, dass die düsteren Dinge, die die Band besang, noch nicht Wirklichkeit geworden waren und mahnte: „vergesst bei all der Utopie aber nicht zu genießen“. Drei kleine Bildschirme waren aufgestellt worden und im Hintergrund rundete die große Videoleinwand die Inszenierung ab. Dazu kamen dann Artaud und Jawa, die mit ihren Gitarren und den Sonnenbrillen auf der Nase sehr düster wirkten. Die Musik, die leider etwas laut war, war ebenfalls düster und passte zu den dystopischen Bildern auf den Leinwänden. Strobolicht unterstrich das Ganze dann schließlich. Das war auf jeden Fall eine Art Gesamtkunstwerk, sehr speziell, düster, aber auch toll. Die Zuschauer waren auf jeden Fall fasziniert und tanzten zu den dunklen Sounds, die durch die tiefe Stimme von Artaud noch finsterer wurden. Der Regen hatte hier kurzzeitig Erbarmen mit uns und legte eine Pause ein. Das sorgte für noch mehr Publikum, dass nun genießen konnte. Stücke wie „Artificial Intelligence“, wo ein Teil des Textes im Video eingeblendet wurde, oder auch „I.R.I.S. Unveiled“ wurden mit viel Beifall belohnt. Die Bilder besonders bei letzterem Stück waren echt verstörend – smart gelenkte Mini-Drohnen, die als Attentatswaffe genutzt werden konnten. Hoffentlich wird so etwas nie Wirklichkeit, aber wir befürchten, das ist nur Wunschgedanke.


Nach diesen gruseligen Gedankenspielen war es mal wieder Zeit für etwas ausgelassenere Momente. Diese bescherte uns schließlich die Formation Blancmange aus Großbritannien. Auch wenn es wieder zu regnen begonnen hatte, waren viele Fans an die Parkbühne gekommen, um mit Neil und seinem Kollegen zu den Synth-Sounds der 1980er abzutanzen. Die Zuschauer waren ungeduldig und klatschten schon vor Beginn des Auftritts eifrig in die Hände. „Vor 40 Jahren“ waren die beiden „das erste Mal in Deutschland“ und an diesem Tag sollte das Ganze nun wiederholt werden. „Hello Germany“, so die begrüßenden Worte von Neil und schon konnte abgefeiert werden mit „What’s your name“. Dabei zeigte der Frontmann stolz seine weißen Turnschuhe, die toll zu seinem schicken Anzug passten und mit denen auch er gut das Tanzbein schwingen konnte. Seine Stimme war kräftig und kam gut rüber. Der Mann an der Technik drehte eifrig an kleinen Knöpfchen und haute in die Tasten, aber auch er hatte seinen Spaß bei der Sache und grinste immerzu. Die von ihm erzeugten Sounds waren toll und sorgten beim Publikum für viel Freude. Es war vor der Stage sehr eng, denn es war richtig voll geworden – dafür gab es eine Kusshand vom Sänger, der sich sichtlich beeindruckt auch noch verbeugte. „I wanna see you dance“, das musste er nicht zweimal sagen, denn die Lieder „Mindset“ oder auch „We are the chemicals“ sorgten von ganz allein für eine bewegte Meute. Die Rückkehr auf deutsche Bühnen war somit sehr gelungen und hoffentlich dauert es nicht wieder 40 Jahre, bis Blancmange wiederkommen.


Mit Vive La Fête, der Kultband aus Belgien, sollte der Tag für uns dann zu Ende gehen. Nach einem Intro kamen Els, Danny und ihr Mitstreiter nach vorn und wurden mit frenetischem Beifall begrüßt. Sie trug ein entzückendes Kleid, aber keine Schuhe. Der kalte Steinboden schien ihren nackten Füßen aber nichts auszumachen, mit Tanzen wurden die dann schon warm. Die Herren auf der Bühne hatte allesamt einen schwarzen Strich über den Augen, passend zu den schwarzen Outfits. Der Sound war echt gut und vor der Stage hatten sich alle Festivalgäste versammelt, um mit den alten und neuen Hits der Formation abzufeiern. Das klappte auch ganz gut mit „Tokyo“, „Schwarzkopf“ oder „Liberté“. Der mehrstimmige Gesang tat da noch sein Übriges dazu. Els war gut drauf und tanzte wild umher, grinste übers ganze Gesicht und bedankte sich für die gute Stimmung: „Vielen Dank für die Blumen…“. Ihre Stimme war bezaubernd. Danny spielte sie immer wieder mit seiner Gitarre an, während sie rot, blau oder violett angeleuchtet wurden und zwischen ihnen weiße Lichtstrahlen umherwanderten. Das Ganze war absolut cool und energiegeladen und nahm die Anwesenden mit auf eine Kitschpop-Party, wie die Band selbst ihren Stil nennt.


Das war ein toller Abschluss für uns und mit diesen Klängen in den Ohren machten wir uns auf den Heimweg – die Klamotten trocknen und eine Mütze voll Schlaf abholen.


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Autoren: Trixi


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