Immer noch nicht ganz wach – wir werden echt zu alt für so etwas – machten wir uns am Sonntag der 2024 Nocturnal Culture Night auf und kamen gerade rechtzeitig am Festivalgelände an, so dass wir Train To Spain auf der Waldbühne anschauen konnten. Das Duo aus Schweden hatte sich zum Glück sehr luftig angezogen, denn auf der Stage mussten es mindestens 1000 Grad sein – die Sonne zeigte wieder ihre ganze Kraft. Bauchfrei und kurze Hosen waren hier wirklich eine gute Wahl von Frontfrau Helena, die ausgelassen zu den eigenen Klängen lostanzte und so versuchte, die Zuschauer, die noch nicht so zahlreich anwesend waren, zu animieren. Die Bänder, die an ihren Handschuhen befestigt waren, wehten dabei hin und her. Mit ihrer kräftigen Stimme lockte sie aber nach und nach immer mehr Publikum an. Die gute Laune der Sängerin war ansteckend und so kam allmählich Bewegung in die Menge vor der Bühne. Synthpop am Morgen (oder frühen Nachmittag) vertreibt eben auch Kummer und Sorgen. Im Hintergrund bewegte sich auch Jonas zu den Songs und gab mit seinem Keyboard den Ton an. Der Bass dröhnte bei „Make up your mind“ zwar anfangs etwas aus den Boxen, aber das machte wenigstens wach. Ein durchaus feiner Einstieg in den Tag.
Weiter ging es nach diesen elektronischen Sounds mit harten Gitarren. Diese wurden auf der Amphibühne von Stoneman von „weiter weg“ aus der Schweiz präsentiert. Und diese Jungs waren echt hart drauf – schwarze Klamotten, Lederjacken und Nieten – eben eine typische Rockerkluft – und dabei von der Sonne gegrillt werden und abliefern – Respekt! Die beiden Gitarristen Dom und Maehna stellten sich beim Spielen auf kleine Podeste und wurden von unten durch Fontänen in Nebel gehüllt. Und dann schossen vor den Drums zu „Eiskalt“ auch noch Funkenfontänen gen Himmel – das war doch mal eine echte Rockshow mit Entertainment. Frontmann Mikki war immer in Bewegung und sang am vorderen Bühnenrand die ersten Reihen direkt an. Der Sound war insgesamt aber leider etwas dumpf – das tat der guten Stimmung aber keinen Abbruch. Vielen tanzten hier im Schatten – aber einige harte Fans trauten sich auch direkt vor die Stage und rockten mit der Band in der Sonne zu Tracks wie „An die Geräte“ um die Wette. Unser Kreislauf hätte das nicht so lang ausgehalten – irre. Dreistimmiger Gesang und die Röhre von Mikki passten gut zu diesen Rockklängen. Für alle, die die Formation bisher nicht kannten, war es verwirrend, als auf einmal der Schlager „Hoch auf dem gelben Wagen“ erklang – dieser ging dann aber über in den Song „Ferrari Pferd“. Schocken gehört eben auch dazu. Solide abgeliefert.
Die Parkbühne hatte im Nachgang auch wieder etwas Neues für uns auf Lager – die schwedische Künstlerin Aux animaux stand bereit, uns mit ihrer Kunst zu begeistern. Manya verriet, dass sie Musik in petto hätte, die „aus ihrem Herzen spricht“ – wir waren gespannt. Gözde, die sich hinter dem Projektnamen verbirgt, kam in einem knappen Outfit und Netzstrümpfen nach vorn – auf dem Kopf trug sie einen roten Schleier und ein roter Umhang hing an ihren Schultern. Kurz schwang sie ein kleines Pendel und dann stellte sie sich an ihr Theremin, dem sie besondere Geräusche entlockte. Nach einem Instrumental hatte sie den Song „Blackout“ parat – dabei beeindruckte sie mit ihren tiefen Stimme und den lasziven Tanzbewegungen. Mal war sie dabei auf den Knien am Bühnenrand und dann stand sie, mit ausgebreiteten Armen, auf einem kleinen Podest weiter hinten auf der Stage. Die Sängerin war vollkommen in ihrer Musik gefangen und sprang umher oder tanzte, wenn sie nicht gerade wieder das Theremin spielte oder sich das Mikrofonkabel um den Hals wickelte – ausgelassen und wild. Ihre blonden Haare flogen dabei nur so umher. Dieser Sound, den Gözde selbst als Hauntwave bezeichnet, war mal etwas ganz Neues. Auch das Publikum war fasziniert von ihr – das sagte zumindest der Beifall nach jedem einzelnen der Lieder.
Wir pilgerten dann zur Lesebühne, um noch ein wenig vom Vortrag Jürgen Müllers „DM“ mitzubekommen. Hierbei stellte der Autor persönliche Erlebnisse rund um die Band Depeche Mode vor. Seine Geschichten von Konzerterlebnissen ließ die Zuhörer lächeln, denn jeder einzelne hatte wohl eigene Erinnerungen an derartige Begebenheiten. Außerdem spielte Jürgen immer wieder einzelne Songs der Band an, so dass zwischendrin mitgewippt oder mitgesungen wurde. Eine tolle Mischung. Auf einem Monitor hinter sich zeigte er zahlreiche Fotos aus seiner Vergangenheit oder auch Presse- oder Livebilder von Depeche Mode, um seine Story zu untermalen. Aber nicht nur seine eigenen Erinnerungen waren hier Thema. Auch Zitate oder Sprachschnippsel von Interviews mit Musikern aus der Szene kamen hier zu Gehör, wie etwa von Wayne Hussey oder Musiker von Front 242. Sie alle berichteten von gemeinsamen Konzerten mit Depeche Mode und ihrer persönlichen Beziehung zu dieser berühmten Formation. Das war echt spannend. Auf das Buch, an dem Jürgen dazu gerade arbeitete, waren sicherlich nicht wenige der Zuhörer an diesem Tag gespannt.
Weiter ging es dann wieder an der Amphibühne, wo „Pioniere“ bzw. „Urgesteine“ der Szene extra angereist waren. Die Rede ist von Trans-X. Pascal und Laurie kamen in Lederoufits auf die Bühne. Im Hintergrund liefen Videos auf der Leinwand mit. Er begrüßte uns mit den Worten: „Hallo zusammen. Wir machen high energy dance music.“Der große Hit „Living on video“ der Formation wurde angestimmt, doch dann streikte kurz die Technik – wieder einmal wurde ein PC ein Opfer der heißen Temperaturen in der Sonne. Das wurde aber flott gefixt, währenddessen die Fans dieses Lied selbst weitersangen und so abfeierten. Dann ging wieder alles und Laurie griff in die Gitarrensaiten und Pascal in die Tasten seines Keyboards, das er sich umgehängt hatte. Weiter ging es dann mit dem nächsten Klassiker „Passion“. Es wurde lauthals mitgesungen und selbstverständlich ließen diese Klänge bei allen das Tanzbein zucken. Luftballons, die mit Konfetti gefüllt waren, flogen umher, was den Spieltrieb des Publikums animierte. Das Kraftwerk-Cover „Das Modell“, wobei der Text ein Mix aus den englischen und deutschen Zeilen war, sorgte für einen Beifallssturm. Ein Hit jagte hier den nächsten – die „alten“ Helden können es eben immer noch. Und wirklich jeder hatte hier Spaß – auch die beiden Musiker lächelten die ganze Zeit sehr zufrieden. Was wollten wir also noch mehr?
Wir suchten uns nach der Hitze an der Amphibühne etwas Kühles zum Trinken und dann ging es auch schon weiter an der Parkbühne. Hier war eine Band an der Reihe, die von sich selbst sagt, dass sie „die Fackel des Postpunk durchs Dunkel tragen“ wollen. Die Rede war hier von Ductape aus Istanbul. Sängerin Çagla sah in ihrem Outfit sehr schick aus und nahm an einem kleinen Technikpult Aufstellung, während ihr Kollege Furkan eine Gitarre dabei hatte. Sie tanzte vom ersten Ton an los und ließ die Hüften lasziv kreisen. Ihre tiefe Stimme passt absolut gut zur Musik. Nebel hüllte das Duo immer wieder ein und machte den Auftritt so noch düsterer. Songs wie „Sinners“ oder auch „Never“ kamen gut bei den Fans an, die sich ebenfalls zu den Rhythmen hin und her bewegten. „Hello beautiful NCN people“, so die knappe Begrüßung durch die Band. Mal hauchte die Frontfrau ins Mikrofon und dann sang sie direkt wieder mit kräftiger Stimme drauf los – das war wirklich nicht schlecht. Das The Sisters of Mercy-Cover „Marian“ sangen einige Zuschauer mit – Klassiker funktionieren einfach überall. Wir mussten uns dann aber mal ein wenig ausruhen und setzten uns nicht weit von der Parkbühne in den Schatten, wo wir den restlichen Gig noch aus der Ferne mit verfolgen konnten.
Nach diesem Päuschen kamen wir schließlich zurück an die Amphibühne, denn es war Zeit für Klutæ. Claus Larsen sagt über dieses Projekt, dass es „den alten Punk“ in ihm wecke, so Moderatorin Manya. Gut gelaunt stürmte er dann die große Stage und verkündete: „Let’s have some fun.“ Gesagt, getan. Er und seine Fans hatten Bock und gemeinsam wurde abgetanzt, gesungen und eine Party gefeiert. Der Oldschool-Beat und Rhythmus der einzelnen Songs ließ aber auch gar keine andere Möglichkeit offen – da musste wirklich jeder mit. Dabei kamen etwa Tracks wie „The Wire & The Cuffs“, „Desert storm“ oder „Wake up the punks“ zu ihren Ehren. Die Textzeilen wurden von Claus nur so rausgebrüllt – diese Energie war ansteckend. Vor der Bühne war es auch voll, denn viele hatten sich auf diesen Auftritt gefreut. Der sympathische Däne hat aber auch so eine positive Ausstrahlung, da ist gute Laune vorprogrammiert. Auch wenn er nur allein auf der großen Bühne stand – seine Aura füllte die Fläche absolut aus und so hatte er auch genug Platz, um ausgelassen zu tanzen. Er verausgabte sich regelrecht und griff immer wieder zum bereitgelegten Handtuch. Bei den heißen Temperaturen war das aber auch von Nöten. Am Ende wurde dann noch ein Bild mit den Fans geschossen – alle sahen darauf glücklich, verschwitzt und zufrieden aus. Alles richtig gemacht.
Auf der Parkbühne ging es dann so langsam dem Ende zu. Das bedauerte auch Manya – sollte das NCN wirklich schon wieder vorbei sein? Sie forderte einen fetten Applaus für die Technik-Crew dieser Bühne ein, den sie auch bekam. Dann war es aber noch Zeit, NNHMN zu feiern. Das Berliner Duo hatte viel Technik dabei und wurde beim Herauskommen in den Nebel gehüllt. Sängerin Lee trug eine riesige Sonnenbrille und tanzte direkt drauf los. Es sah aus, als ob sie dem Nebel entstieg. Im Hintergrund blitzte ein Strobo und die Musik regte das Publikum zum Mittanzen an. Der Bass war hier aber leider etwas zu arg eingestellt, was nur allmählich gefixt wurde. Es war schon arg laut und einige Zuschauer suchten das Weite, was schade war, denn ansonsten war die Darbietung doch gut. Nach und nach kamen die Fans dann auch wieder zurück – sie konnten sich dem Ganzen doch nicht entziehen. Michal drehte an Knöpfen und war mit all der Technik auf den Tisch vor sich beschäftigt, während seine Kollegin am vorderen Bühnenrand kniete und ihre Texte ins Mikrofon hauchte. Dabei fasste sie einen Fan bei der Hand und sang so weiter – das wird dieser wohl so schnell nicht vergessen. Lee spielte viel mit ihrer Stimme – laut, leise, hoch, tief – sie war voll in ihrem Element. Außerdem wurde ihre Stimme ab und zu technisch verändert, so dass spooky Sounds entstanden. Eine irre Mischung.
Dann war es an der Waldbühne soweit, dass auch hier die letzte Band des Festivals aufspielte. Bevor Zeraphine aber an der Reihe waren, forderte Moderatorin Anne auch hier Applaus für die Crew ein. „Wenn’s euch gefallen hat, kommt bitte nächstes Jahr wieder.“ Dem Jubel zufolge hatten das nicht wenige auch vor. Doch dann waren Sänger Sven und seine Kollegen dran, noch einmal alles aus den Zuschauern rauszuholen. Mit „Lieber allein“ ging es in die Vollen und die Menge tanzte drauf los. Der Frontmann lief auf der Stage zwischen seinen Mitmusikern hin und her und sorgte für gute Laune. Die Gitarristen Manuel, Michael und Norman gaben alles und der Sound war hier auch wirklich toll. Die Arme in den ersten Reihen waren oben und nicht wenige sangen auch mit. „Wir freuen uns, mal wieder hier zu sein.“ Für das Set hatte die Band viele „ältere Stücke“ und auch einige wenige neuere dabei. Unter anderem hörten wir so „Die Macht in dir“, „Kaltes Herz“, „Be my rain“ oder auch „Siamesische Einsamkeit“, ein Song, der mittlerweile 22 Jahre alt ist. Mehrstimmiger Gesang war hier immer wieder ein Hörgenuss. Die Herren können es eben – jahrelange Übung zahlte sich hier aus. Die Fans genossen dieses Konzert in vollen Zügen – es konnte gefeiert werden, zu den Balladen wurde gekuschelt und dann wurde direkt wieder gerockt. Immer wieder wurde im Takt mitgeklatscht. Und der Lichtmann zeigte hier noch einmal, was alles möglich war – gelbe und lila Lichtstrahlen und dann wieder weiße Lichtkegel, die zwischen den Musikern umherwanderten – es sah schon toll aus. Hits ohne Ende, die mitgesungen und lautstark beklatscht wurden – so gehört sich das auf einmal Festival und Zeraphine haben das voll erfüllt. Geile Nummer!
Dann blieb nur noch der Headliner und letzte Act des Festivalwochenendes übrig. Dieses Mal hatten die Veranstalter eine Formation auf Lager, die noch nie hier gespielt hatte. Nach dem obligatorischen Crew-Applaus galt es dann für Northern Lite zu zeigen, dass auch sie das NCN-Publikum für sich einnehmen konnten. Im Hintergrund war das Bandlogo auf der Videoleinwand zu sehen, während die Erfurter loslegten. Schon die ersten Töne von „Some time soon“ animierten die riesige Zuschauermenge dazu, mitzuklatschen. Frontmann Andreas kam direkt an den Bühnenrand und stellte sich auf die Boxen im Bühnengraben, wo er von den Fotografen umkreist wurde. Zweistimmiger Gesang kam gut an und wirklich jeder vor der Stage tanzte ausgelassen. Auch die Musiker konnten sich der guten Stimmung nicht entziehen und wippten oder tanzten mit. „Hey NCN – das erste Mal.“ Jubel brandete auf, als „Do you think of me“ oder das Jimi Tenor-Cover „Take me baby“ angestimmt wurden. Es schien fast so, als ob die Zuschauer schon lange darauf gewartet hatten, dass diese Band im Kulturpark Deutzen auftritt. Nun war es endlich soweit und die Party nahm ihren Lauf. Der Frontmann schien das Ganze zu genießen, denn immer wieder dirigierte er diesen bunten Reigen. Das machte echt Laune.
Wir waren aber richtig kaputt von drei Tagen Festival bei Temperaturen aus dem Brennofen und deswegen überließen wir es der Menge, diesen letzten Tag des NCN mit dem Headliner zu beschließen. Das Höhenfeuerwerk am Ende verpassten wir so zwar auch, aber bevor uns die Augen zufielen, reisten wir lieber fix heim, um dann ins Bett zu fallen. Wir hatten an diesen drei Tagen wirklich viel Spaß, haben tolle neue Acts kennengelernt und mit alt bekannten abgefeiert. Außerdem hatten wir zwischendrin auch immer mal kurze schöne Momente mit vielen Freunden – auch so etwas macht ein Festival aus – Gemeinsamzeit mit lieben Menschen. Die Hitze und die Technik haben einigen Acts hier zwar übel mitgespielt, aber immer konnten die Probleme dann gefixt werden, so dass alle Gigs ein Genuss für Künstler und Fans wurden. Danke an die Veranstalter für diese bunte musikalische Auswahl mit großartigen Highlights. Wir sind schon auf 2025 gespannt, für dass die ersten Tickets schon vergriffen. Bis dahin!
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Autor: Trixi