Festivalbericht - Festival-Mediaval 2023 - Samstag

Der Samstag versprach ein langer Tag zu werden, bereits am frühen Mittag stritten zwei Bands um den Newcomeraward in der Kategorie Spielleute. Auf der Burgbühne gaben sich derweil Vera Lux die Ehre, die den Rock-Award im vergangenen Jahr gewonnen hatten. Die Festivalbesucher wurden also stilecht mit Mittelalterrock geweckt und da sich die Band bereits eine erkleckliche Fanbase erspielt hat, war vor der Bühne auch schon recht viel Bewegung. Die Formation um Frontfrau Inara füllte die gute Stunde Spielzeit vor allem mit den Tracks aus ihrem Debütalbum "Aus dem Nichts", das bereits 2020 erschienen ist. Aber auch neuere Stücke, die auf dem kommenden Album "Durch die Schatten" zu finden sein werden, wurden live vorgestellt. Bei strahlendem Sonnenschein rockten Band und Publikum um die Wette und so gab es bereits bei der ersten Band des Tages viele tanzende Menschen zu sehen.


Nicht ganz so heftig ging es danach mit PurPur auf der Schlossbühne weiter. Das Geschwisterpaar gehört seit vielen Jahren zu den festen Größen beim Festival-Mediaval, vor allem ihre leiseren Lieder kommen beim Publikum immer gut an. Wie bereits in den vergangenen Jahren wurden die beiden auch 2023 von ihrer Musikerkollegin Maria Straub begleitet, die den Liedern mit ihrer Harfe einen besonderen Klang gab. Wir hörten eine ganze Weile zu, machten uns danach aber mal wieder auf den Weg über das Gelände, während vor der Bühne viele Leute andächtig lauschten, mitsangen oder einfach nur den sonnigen Mittag genossen.


The Blackbeers, ebenfalls eine Band, die mit dem FM sehr verbunden ist, holten dann die Besucher aus dem Mittagstief. Mit Piratenrock made in Oberfranken lockte die Formation die Leute vor die Bühne und zeigte, was sie drauf haben. Die Fans sprangen, tanzten und sangen lauthals mit, wir schauten vom Rand aus zu und freuten uns mit den Musikern über die ausgelassene Menge. Und auch, wenn die Blackbeers eher Piratenrock spielen, so haben sie doch mit Flo König und seiner Nyckelharpa ein besonderes Instrument im Line Up, das dem Ganzen eine besondere Note verleiht.


Uns trieb dann erstmal die Neugier weiter, denn neben dem musikalischen Programm gibt es in Selb immer jede Menge zu entdecken. So zeigte zum Beispiel auf dem Händlermarkt die Schwertkampfgruppe Burdyri aus Tschechien ihr Können und bot den Schwertkampf mit einer gehörigen Portion Witz dar.


Direkt im Anschluss hatten wir ein Date mit Hijos del Tercer Accorde aus Spanien. Die jungen Spanier waren zum ersten Mal in Selb zu Gast und wurden vom Publikum herzlich aufgenommen. Die Band, deren Bühnenoutfits eher an eine Steampunkband denken ließen, gaben ihre Version von Mittelalterrock zum Besten. Der Frontmann stand kaum einen Moment still, die Musiker holten alles aus sich raus und die Menschen vor der Bühne ließen sich mitreißen. Die Formation, deren Name nichts anderes als "Söhne der drei Akkorde" bedeutet, spielte sowohl eigene Stücke, aber auch einige Coversongs, was beim Publikum gut ankam. Immer wieder bedankte sich der Sänger in holprigem Englisch bei den Anwesenden und beim Festival selbst. Das war wirklich niedlich! Alles in allem haben Hijos del Tercer Accorde einen wirklich guten Job gemacht und gezeigt, dass sie durchaus mehr als drei Akkorde spielen können.


Für uns hieß es schon wieder die Bühne wechseln, denn auf der Burgbühne stand nun die Band mit dem wohl weitesten Anreiseweg. Dandelion Wine aus Australien sind gern gesehene Gäste in Selb, bereits zum dritten Mal waren Nicholas und Naomi Teil des Programms. Außerdem hatten sie ihren Drummer Phil und die neue Violinistion Georgie-Brooke dabei, wobei wir uns bei letzterer ziemlich sicher sind, dass sie eine Hobbitfrau und vermutlich die Schwägerin von Samweis Gamdschie ist. Die Formation, die ihren Stil selbst 'etheral electro-folk' nennt, erinnert mich persönlich immer irgendwie an eine Mischung aus Emilie Autumn und Mila Mar. Verspielte Sounds treffen auf Naomis klare Stimme, die sie glücklicherweise auch nutzen konnte, denn die Sängerin war ein wenig angeschlagen. Aber mit viel Tee und Lutschtabletten hatte sie alles getan, um den Auftritt zu meistern. Einige Menschen im Publikum kannten Dandelion Wine offenbar noch nicht, ließen sich aber darauf ein und freuten sich über alte und neue Stücke. Als dann noch die Kontaktjongleurin Beatrice Baumann für einen Track ihre Kugeln tanzen ließ, gab es ordentlich Zwischenapplaus. Nicholas wies außerdem auf die aktuelle Single "Falcon Carol" und das dazugehörige Album hin, welches nach dem Konzert käuflich zu erwerben war. Für uns sind die Australier immer eine gute Idee, vor allem in der Nachmittagssonne, und für einige war es eben eine Neuentdeckung.


Auf der Schlossbühne wurde es dann wieder ruhiger, denn das Quartett Sedaa hatte dort Platz genommen. Die Formation besteht aus mongolischen und persischen Musikern, die Musik ist eine Fusion aus beiden Kulturkreisen. Sedaa läuteten also mit Oberton- und Kehlkopfgesang, Pferdekopfgeige, Hackbrett und verschiedensten Trommeln den frühen Abend ein. Fast hatten wir das Gefühl mit der Band durch die mongolische Steppe zu reiten oder über die Seidenstraße zu reisen. Verrückt, was Musik manchmal so auslöst. Leider verpassten wir über diesem Auftritt das Living Chess , welches in diesem Jahr zum letzten Mal in Selb dabei war. Außerdem zeigte uns ein Blick auf die Uhr, dass der Tag schon sehr weit fortgeschritten war und wir seit dem Frühstück irgendwie noch gar nichts gegessen hatten. Das mussten wir dringend ändern, deswegen suchten wir uns etwas leckeres zu Essen sowie einen ruhigen Platz zum Ausruhen und 'Leute gucken'.


Und da die Pause wohl ein wenig länger geraten war, hieß unser nächster Programmpunkt Garmarna. Die schwedische Band um Sängerin Emma Härdelin gehört natürlich unbedingt zu 'Folk of the World', denn niemand hat den Nordic Folk so sehr beeinflusst wie Garmarna. Nicht zuletzt ist ihre Version des "Herr Mannelig" eine der bekanntesten und dieser Titel war auch in der ersten Hälfte des Sets zu hören. Mit Fiedel, Gitarre und Emmas Gesang überzeugte die Formation das Publikum auf dem Goldberg einmal mehr, auch die neueren Stücke, die eher elektronisch gestaltet sind, verleiteten die Menge zum Tanzen und Mitsingen - obwohl die Texte allesamt auf Schwedisch sind. Der Platz vor der Schloßbühne war gut gefüllt, auch wenn wir den Eindruck hatten, dass an diesem Samstag nicht so viele Menschen auf dem Gelände unterwegs waren wie sonst. Das kann uns allerdings auf Grund der schieren Größe des Goldbergs und des umfangreichen Programmangebots auch massiv getäuscht haben.


Im Anschluss an den Auftritt wurde der Goldene Zwerg an Bernstein & Ebenholz verliehen, die sich im Awardwettstreit am Vormittag gegen ihre Mitbewerber Sorion durchgesetzt hatten und somit im kommenden Jahr einen Slot auf einer der großen Bühnen bekommen.


Wir folgten nun den Massen zurück an die Burgbühne, wo Poeta Magica auf alle wartete. Die Formation ist eher ein Kollektiv, welches Holger Funke jedes Mal neu zusammenstellt. Das Hauptaugenmerk der Band liegt auf den Klängen der Nyckelharpa, welche zahlreich auf der Bühne zu hören war. Außerdem kommen vorrangig nordisch inspirierte Stücke ins Set. Mir persönlich kommen diese Konzerte immer ein wenig wie eine Lehrveranstaltung vor, in der es jede Menge über die Musik aus dem Norden Europas zu erfahren gibt. Im Fokus stand auch dieses Mal die Sängerin Saga Björling, die den Ton angab, aber auch im Verband mit weiteren vier Frauenstimmen hervorstach. Im Verlauf des Sets holte Holger Funke dann noch einige befreundete Musiker anderer Bands auf die Bühne und zusammen wurde mit viel Herzblut und Spielfreude musiziert. Solche Momente machen das FM auf jeden Fall aus, für die Mitwirkenden und für das Publikum, welches das Ganze mit viel Applaus belohnte.


So langsam neigte sich der lange Tag dem Ende zu, aber zuvor standen noch zwei Programmpunkte an. Der Headliner auf der Schlossbühne war das Afro Celt Sound System, welches bereits seit vielen Jahren weltweit unterwegs ist. Das Projekt wurde vor fast 30 Jahren von dem Briten Simon Emmerson, der bereits für mehrere Grammys nominiert war und zu Beginn des Jahres 2023 leider verstarb, gegründet. In Selb standen insgesamt acht Mitwirkende auf der Bühne und boten ein außergewöhnliches Potpourri an Musik und Gesang, gespickt mit den unterschiedlichsten Instrumenten. Die Musik des Afro Celt Sound Systems ist eine Mischung aus irischen Tunes, traditionellen afrikanischen Gesängen und viel Percussion. Jedes einzelne Mitglied der Formation beherrscht sein (oder ihr) Instrument meisterhaft und so staunten wir über das Zusammenspiel von Dhol (persisch-indische Trommel), Djembe, Tin Whistle, Uillean Pipes, Kora (afrikanische Stegharfe) und Dudelsack. Außerdem transportierte der Gesang von N’Faly Kouyate eine derartige Energie, der sich viele Gäste vor der Bühne kaum entziehen konnten. Das war wirklich ein Novum beim FM, so eine Art Musik gab es dort noch nie zu hören. Die Band präsentierte hier tatsächlich Weltmusik und zwar auf ganz vielen Ebenen. Für uns war dies fraglos ein Highlight des Festivals! Vielen Dank, Bläcky, dass du diese Band auf den Goldberg geholt hast, denn das Afro Celt Sound System hat wie kaum eine andere Formation den Geist des Festival-Mediaval verkörpert.


Ein letztes Mal in dieser Nacht führte uns der Weg zur Burgbühne, wo eine Art Ritual auf uns wartete. Nemuer, eine tschechische Band aus dem Bereich Dark Ambient-Folk, stellte im Nachtkonzert ihre Art Musik vor. Optisch erinnerte uns das Konzept an Projekte wie Nytt Land oder Heilung, die musikalische Seite wollte uns persönlich aber nicht so mitnehmen. Die atmosphärischen Rhythmen und der düstere Gesang hatten wirklich etwas von einem Ritual. Die Band selbst, die aktuell an einem neuen Album und einem Film über das ägyptische Totenbuch arbeitet, will mit ihren Konzerten die Verbindung zwischen Kunst, alten Glaubensrichtungen und Musik schaffen. Viele Konzertbesucher vor der Bühne waren mit allen Sinnen dabei, andere verließen verwirrt den Goldberg und konnten dem Ganzen nichts abgewinnen. Wir möchten an dieser Stelle jedem selbst überlassen, ob Nemuer den eigenen musikalischen Nerv trifft.


Müde und geschafft fuhren wir in unsere Unterkunft, denn vor uns lag immer noch ein Festivaltag und auch der hatte ein volles Programm für uns.


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Autor: Billie


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