Nachgelesen - "Basement Tales Vol. 5 - Schliessfach Sieben"

Mit den Basement Tales aus dem Hause The Dandy Is Dead geht es in die Abgründe der Seele, in die hintersten Ecken eines Hirns, eines Kellers, des Gewissens und der absoluten Skurrilität. In der 5. Ausgabe hat der Verlag auch gleich viele Autoren am Start, nämlich fünf, die in ihren Kurzgeschichten irgendwo ein kleines Schließfach mit der Nummer 7 versteckt haben. Und dabei ist es absolut egal, ob das Fach eine tragende Hauptrolle spielt oder nur mal in einem Nebensatz erwähnt wird – ist aber immer dabei.


Den Anfang macht dieses Mal die großartige Luci van Org mit „Stirb tot“. Wir treffen hier auf Enno, der in der Boulderhalle auf Mika trifft. Sie sehen sich dort bei den Schließfächern, wo sie auf ihn wartete – sie hatte nach einem Tinder-Date wohl einen Narren an ihm gefressen, was ihm nicht so recht war. Für ihn war es nur Sex, doch sie wollte wohl mehr. Immer grinste sie ihn irre an und machte ihm irgendwie Angst. In seiner Furcht lässt er sich dazu hinreißen, zu sagen: „Du und ich – das würde nicht mal was werden, wenn wir die zwei allerletzten Menschen wären“. Und – ich will nicht zu viel vorweg nehmen, aber die Story entwickelt sich genau in diese Richtung, denn Enno kann mit dem Spruch „Stirb tot“ die Menschheit dezimieren. Doch warum sollte das der junge Mann überhaupt wollen? Erst war er fasziniert von seiner neuen Fähigkeit, doch dann kommen diverse Umstände hinzu, die ihn schier um den Verstand bringen. All das führt ihn soweit, dass er immer mehr Menschen „tot stirbt“. Nur bei Mika klappt das nicht… wieso? Lest am besten selbst. Bizarr ist es allemal…


Die nächste im Bunde ist Silke Lindenberger mit „Künstlerehre“. Dass Künstler zuweilen schwierige Personen sein können, ist allgemein bekannt und dass sie aus gekränkter Ehre heraus mitunter auch mal ausfällig werden können, ist ebenfalls nichts Neues. In dieser kleinen Geschichte trifft der Leser auf KER, einer ganz speziellen Malerin, die ihre Werke nicht mit Farben, sondern mit Blut auf die Leinwand bringt. Und auch Janina lernen wir kennen. Sie ist Kunstkritikerin, die an der namensgebenden Künstlerehre kratzt, indem sie an der Aufrichtigkeit und Emotionalität im Schaffen von KER zweifelt. Wozu das die besondere Kunst-Diva treibt, ist sehr speziell – aber fast ein wenig zu sehr absehbar. Könnt ihr es schon ahnen? Janina jedenfalls ist Nutznießerin des Ganzen – journalistisch lässt sich da echt was draus machen.


Der Beitrag von Germaine Paulus zu den Schließfächern ist „Das Treffen“. Ich mag ja Germaines rohe und direkte Sprache, die hier auch wieder ausgiebig in Schimpfwörtern und Kraftausdrücken schwelgt – toll! „Warum immer die Scheißsieben?“ ist hier eine zentrale Frage, die sich Robin stellt. Er ist nämlich „Schließfach Sechs“, aber laut der Prophezeiung gibt es eben doch 7. Die einzelnen Schließfächer sind alles Menschen, die sich in einer alten, abrissreifen Fabrikhalle treffen, um ihre Bestimmung zu erfüllen. Im Laufe der Erzählung werden auch all die anderen sechs vorgestellt, doch am Ende ist egal, wer oder was sie waren/sind. Es geht einzig und allein um die Prophezeiung und es funktioniert nur, wenn wirklich jeder seine Rolle in Perfektion ausfüllt. Und wenn einer fehlt oder etwas schief läuft, was dann? Und was haben „Sea-Monkeys“ damit zu tun? Germaines Zeilen verraten es euch. Ich mag das Ende besonders – irgendwie Tarantino oder Simon Pegg-like…


„Blau“ wird es im Anschluss mit Sascha Leidinger. In dieser Kurzgeschichte geht es um Rivalität zwischen den Superhelden Johannes der Säufer und Alk, die schon sehr lange Widersacher waren. Eigentlich wollte Johannes mit seinen Kumpels seinen Junggesellenabschied feiern, doch dazu kommt es nicht, denn Alk zwingt ihn zu einer Art Schnitzeljagd, die nach und nach zu Schließfächern in einer Bank führen, die immer neue Anweisungen enthalten – und ja die Polizei raushalten bitte. Und Johannes wird auf seiner „Reise“ immer betrunkener, denn genau das bringt seine Superkraft zu Tage – er kann so in eine verschwommene Zukunft schauen. Die Aufgaben werden immer abstruser und nehmen allesamt die üblichen Bräuche eines Junggesellenabschieds auf die Schippe. Und am Ende wird es dann doch arg persönlich – kennt ihr den Film „Sieben“ – ihr wisst, worauf das hinausläuft… aber Pst! Nix verraten.


Die fünfte und letzte Erzählung stammt aus der Feder von Anja Bagus, die sich hierbei mal auf ungewohntem Parkett bewegt – und Parkett passt direkt zu „Schwanensee“. Ähnlich der Geschichte vorher erhält Gabriel hier wöchentlich Anweisungen aus einem Schließfach, die er die Woche über befolgen muss. Dabei sind es nicht nur Sachen wie "Tu dies oder das" – nein, es sind auch viele Tipps dabei, wie das Leben funktionieren kann, ohne von denen da oben betrogen und vergiftet zu werden. Zwischendrin geht er jeden Tag ans Grab seines Vaters und zündet die Kerze neu an. Und immer wieder kommt es vor, dass er „entführt“ wird. Dann sitzt ihm eine Frau gegenüber, an die er sich nur dunkel erinnern kann und bei diesen Gelegenheiten bekommt er immer wieder eine Wahrheitsdroge verabreicht, die sein Leben leichter macht. Wer diese Frau ist und was das Ballett Schwanensee mit allem zu tun hat, solltet ihr am besten selbst erforschen. Nur soviel – dass die Schöpferin der Ætherwelt auch in anderen Genres mitreißend und überraschend schreiben kann, stand außer Frage, aber diese Story ist echt mal abgefahren. Wie kommt Autorin auf solche Gedanken? Krass…


Zu vier der fünf Texten gibt es wieder toll gestaltete Poster, die ihr euch an die Wand hängen könnt. Gestaltet haben diese Ralf Leis, Falk Kuckert, MindyTheGap und SEC7 und das Cover stammt wie immer von Stefan Hübsch - allesamt ein Hingucker.


Wieder einmal war ich sehr begeistert von den verschiedenen Möglichkeiten, ein kleines Detail, was allen Kurzgeschichten gemein sein musste, in unterschiedlichster Art und Weise in absolut irren, abgedrehten, blutigen und irritierenden Texten zu verpuzzlen. Gut gemacht ihr 5! Für mich waren auch diese Basement Tales unbedingt lesenswert!


Autor: Trixi

Veröffentlichungsdatum: 04.10.2019

Verlag: The Dandy Is Dead

Format: A5 Broschüre / 48 Seiten

ISBN: ‎978-3947652105


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