Festivalbericht - WGT 2022 - Samstag

Frisch gestärkt starteten wir am zweiten Festivaltag mit einem obligatorischen Besuch beim Veid e.V. im Herzen von Leipzig. Schirmfrau Luci van Org hatte wieder an zwei Tagen ein abwechslungsreiches Programm aus Lesungen, Vorträgen und kleinen Konzertdarbietungen zusammengestellt – unter dem Motto „Das Portal beim Veid e.V.“.


Nachdem wir vielen Freunden um den Hals gefallen waren, war es auch schon Zeit für den Beitrag von Goethes Erben-Mastermind Oswald Henke, der mit dem Gedicht „Uhren essen“ in die Vollen ging. Seine Art, Texte pointiert mit Mimik, Gestik und Stimme vorzutragen, sucht seinesgleichen – absoluter Wahnsinn! Nach dem Poem „Vom Krieg geträumt“ berichtete er von diesem „elenden Gefühl“ des Nägelschneidens, das er als Kind über sich ergehen lassen musste. Viele Zuhörer konnten das wohl nachempfinden und lachten wissend. Und da er gerade bei Kindheitserinnerungen war, verschenkte der Musiker und Autor Süßigkeiten an seine Fans. Weitere Themen in seiner Lesezeit waren etwa Helden und Heldenbildung früher und heute oder er gab Liedtexte in gesprochener Form zum Besten. Als er dann „Stadt der Träume“ und sogar den Goethes Erben-Klassiker „Abseits des Lichtes“ vortrug, klatschten die Zuschauer besonders energisch. Selige Blicke, ein verstohlenes Augenwischen und leises Mitsprechen waren hier außerdem bei den Zuhörenden zu bemerken. Es hätte nicht schöner sein können und Luci bedankte sich im Anschluss im Namen von uns allen.


Nach einer Umbaupause, bei der wir die ausschließlich veganen Snacks und die kleine Bilderausstellung in den Räumlichkeiten des Veid e.V. genießen konnten, war nun die Schirmfrau selbst an der Reihe. Sie hatte ihr neues Projekt Lucina Soteira im Gepäck, wo sie, gemeinsam mit ihrem Gitarristen Rainer Narr ihre Stücke darbieten wollte. Gesagt, getan. Zuerst berichtete sie noch kurz, dass es dieses Soloprojekt nur wegen Oswald Henke gibt und dann leitete sie jeden Track mit einem kleinen Gedicht ein, die ihr Kollege an den Saiten verfasst hatte. Lucis Stimmgewalt hatte auch nach dieser langen Live-Pause nicht an Kraft eingebüßt und eigentlich hätte sie kein Mikrofon gebraucht, so laut war sie. Das macht uns jedes Mal aufs Neue sprachlos. Der Applaus zeigte dann, dass es nicht nur uns so erging. Anfangs war die Sängerin noch recht nervös, doch diese Anerkennung machte sie zusehends entspannter und sehr glücklich. „O Caligo“, „Safe“ oder auch „Mein Wille“ kamen super an. Vor allem die Mischung aus englischen, deutschen und lateinischen Textpassagen war beeindruckend und am Ende war der Jubel so groß, dass Luci dann doch wieder verlegen lächelte. Gekonnt ist eben gekonnt und Ehre, wem Ehre gebührt. Danke für diesen tollen Live-Moment!


Wir machen im Anschluss noch einen kleinen Spaziergang an die Moritzbastei (MB) und dem dort befindlichen Mittelaltermarkt. Dort war es aber schon so voll, dass von Genuss nicht die Rede sein konnte. Es war ein rechtes Gedränge, um auf den kleinen Markt zu kommen und da war es wegen der prallen Sonne zu warm - schade. Vor allem startete neben MB der gerade eine Demo, vor der wir, aufgrund der fragwürdigen Initiatoren, dann doch schnell wieder die Flucht ergriffen.


Also fuhren wir wieder an die Agra, wo in der großen Halle wieder einmal der Electro übernehmen sollte. Wir durften nun auch vor der Agra parken – es ging dann also doch. Eine kurze Bemerkung noch vorab: wenn Frau vor der ersten Band in der Agra-Halle auf die Toilette im Freisitz hinter der Halle gehen möchte und dort weder Toilettenpapier, noch Seife oder Handtücher vorhanden sind, ist das alles andere als lecker, geschweige denn hygienisch. Da bestand echt noch Nachholbedarf. Aber wieder zurück zur Musik:


Den Anfang machten an diesem Tag Rotersand. Eigentlich war ja Neuroticfish angekündigt gewesen, doch Sascha musste leider krankheitsbedingt absagen. Wieder waren Moderatoren am Start – dieses Mal DJ Elvis und Mark Benecke. Sie forderten einen Willkommensbeifall ein und schon stürmten Krischan und Rascal nach vorn, um uns mit „Welcome to goodbye“ einzuheizen. Der Sänger warf seinen Fans Kusshände zu und legte direkt mit „It’s about us“ nach. Auch vergaß er nicht, Genesungswünsche an den „Fish“ zu senden. Alte und neue Hits fanden an diesem Tag den Weg ins Live-Set der Formation und sowohl Krischan, als auch die Zuschauer und Rascal tanzten zu den Beat ausgelassen hin und her. Und als am Ende auch noch der absolute Kracher „Exterminate Annihilate Destroy“ erklang, war der Partymittelpunkt direkt in der Halle auf der Agra. Ein wahrhafter würdiger Ersatz-Gig war das – vielen Dank. Unsere Billie hatte sich vorher vorgenommen, das gesamte Set durchzutanzen – und was sollen wir sagen, sie hat diese Challenge spielend gemeistert. Das war bei der Stimmung aber auch nicht schwierig!


Das nächste Electro-Highlight wurde von den Moderatoren als „deutsch-mexikanische Freundschaft“ bezeichnet. Die Rede war selbstverständlich von Rabia Sorda. Mit einem Drumsolo starteten die Jungs schließlich und Grigory, der mit einer neonfarbenen Gitarre aufwartete, tobte zu „Perfect black“ los, dass es nur so krachte. Frontmann Erk hatte gute Laune und stand kaum einen Moment auch nur still. Dabei meinte er lächelnd: „Let’s celebrate life!“ Das ließen sich die Massen nicht zweimal sagen und so wurde auch hier ausgelassen getanzt und im Takt mitgesprungen. „Violent lovesong“ oder auch „Deaf“ wurden von einer wilden, flackernden Lichtshow begleitet. Erk stand mal hier und mal da, auf einem Podest oder er verschwand hinter einer Nebelwand. Das Ganze hatte echt Charme und war abwechslungsreich.


Wir mussten dann aber erst einmal etwas essen. Das Angebot an der Agra-Halle war echt abwechslungsreich und vor allem der asiatische Stand und der Flammlachs-Anbieter hatten es uns angetan – sehr lecker. So gestärkt hatten wir wieder Energie, um den C64-Heroen von Welle:Erdball beiwohnen zu können. Auf der Stage waren anfangs bei „Wir sind elektrisch“ nur Videoleinwände und Schaufensterpuppen an den Mikrofonen zu sehen, doch dann kamen Sänger Honey, die Mädels Lady Lila und M.A.Peel und c0zmo doch noch hervor und gaben ihr Bestes. Der Frontmann freute sich, dass die Halle so voller Zuschauer und die Stimmung schon am Anschlag war. Gut gelaunt stimmte er „Wir wollen keine Menschen sein“ an, was die Menge gleich wieder zum Mittanzen animierte. An diesem Tag kam auch der letzte Tänzer auf seine Kosten. Selbstverständlich hatte die Band bekannte Live-Elemente wieder eingebaut, wie Schilder, die zu „Mensch aus Glas“ von den Damen hochgehalten wurden, Fahnen, die bei „Hoch die Fahnen“ wehten oder große Ballons, die über den Köpfen der Fans durch die Halle schwebten – wie immer ein sehr geniales Bild. Der Sound war wie bisher auch echt gut und bei weiteren Hits wurde lautstark mitgegrölt. Das Ganze können wir nur als „Spaß aus einem kleinen Computer kommend“ bezeichnen – Danke hierfür!


Nach all diesen elektronischen Klängen stand uns noch ein wenig der Sinn nach Gitarrenmusik und deswegen wechselten wir die Location. Wir statteten dem Alten Stadtbad einen Besuch ab, denn hier waren Die Art als Headliner des Abends angekündigt. Bei ihrem Heimspiel in Leipzig wollten wir dabei sein. Der Saal war angenehm voll, so dass jeder noch Luft und Raum für sich hatte. Der Soundcheck dauerte etwas länger – waren hier doch gleich zwei Drumsets mit von der Partie. Doch dann ging endlich es los. Sänger Makarios und seine Kollegen wirkten alles absolut entspannt und so kam auch ihr Sound rüber – absolut unaufgeregt und smooth. Blaue Lichtkegel wanderten zwischen den Musikern umher und setzten die Herren so in Szene. Zu „Seven tears I cry“ wippten die Anwesenden mit und der Sänger tänzelte in der Bühnenmitte für sich. Der lange Soundcheck hatte sich gelohnt – es klang alles echt gut und Makarios meinte verschmitzt: „Machmer eben länger“. Der mehrstimmige Gesang zu „Dieser Moment“ ließ die Fans träumen. Die Gitarristen Thomas und Conrad hatten auch ihren Spaß und zeigten ihr Können auf den Saiten, was lautstark beklatscht wurde. Als dann der Hit „My colour is black“ erklang, war für uns der Abend aber zu Ende – die Müdigkeit machte sich bei uns breit.


Und so waren wir schon wieder auf dem Heimweg, als die Band noch eine Weile mit ihren Anhängern den Abend ausklingen ließ. So konnte es ruhig weitergehen.


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Autor: Trixi


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